Freitag, 29. September 2023

Baker Man

Heute ist endlich wieder Wanderwetter. Es ist zwar noch bewölkt aber zumindest trocken. Ob wir die ganz hohen Berggipfel noch zu sehen bekommen, wird sich zeigen. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass sich die Wolken - ähnlich wie vor einigen Tagen in Whistler - noch weitgehend auflösen werden. Aber zuerst: Frühstück. Heute schaffen wir es auch rechtzeitig zum Hotelfrühstück und gönnen uns eine Waffel. Ich erwische den Zimtteig (was neben dem riesigen Zimtbehälter am Buffet vermutlich den recht strengen Zimtgeruch, der hier in der Luft liegt, erklärt), aber die Waffel ist nicht übel.
Der Gatte gönnt sich noch was Rührei, auf Papptellern ist das aber alles nicht so dekorativ.
Danach packen wir zügig zusammen und machen uns auf die Socken, nicht ohne uns beim Checkout noch über den Kühlschrank zu beschweren, der am Vortag plötzlich anfing zu heizen statt zu kühlen und dessen Inneres noch dazu so bestialisch anfing nach Chemie zu stinken, dass wir unsere zum Glück nur drei Getränkeflaschen am Morgen trotz Auslüftens im Badezimmer wegwerfen mussten, weil sie immer noch so stanken, dass wir sich nicht im Auto haben wollten. Man bietet uns immerhin 20% Ermäßigung auf die Rechnung für die Unanehmlichkeiten an. Im Vergleich zum Italiener in Whistler ein sehr faires Angebot für zwei Flaschen Wasser und ein Ginger-Ale, die wir entsorgen mussten. Nach etwa einer Woche haben wir dann tatsächlich eine Rückbuchung über 75 € auf der Kreditkarte.
Jetzt aber zügig los, wir haben heute noch viel vor. Erster Halt ist der Nooksack River Bald Eagle Viewing Point, an dem sich natürlich kein einziger Bald Eagle zeigt. Auch sonst gibt es kein Getier, aber es ist trotzdem hübsch, und das Wetter zeigt sich inzwischen vielversprechend, auch wenn die hohen Berge noch in den Wolken liegen.
Danach fahren wir zügig zur Mount Baker Ski Area, nicht ohne rechtzeitig ein Parkticket zu erwerben. Oben angekommen informieren wir uns zunächst im Heather Meadows Visitor Center über die Wanderwege und decken uns mit T-Shirts ein. Die Ausbeute ist heute endlich mal sehr befriedigend. Da hier oben bei ungewohnt frischen acht Grad ein ziemlich kalter Wind pfeift und es noch dazu recht schattig ist, gönnt sich der Gatte eine Mütze mit der Aufschrift "Only you" und dem Logo von "Smokey" dem "Prevent Wildfires" Maskottchen. Da die Mütze zum einen total niedlich ist und zum anderen die Aufklärung und Prävention von Waldbränden mit dem Kaufpreis fördert, muss ich mir natürlich (für den Fall, dass es noch kälter und windiger wird) auch eine Mütze kaufen.
Danach kann es losgehen. Wir fahren ganz nach oben zum Artist Point, an dem die Wanderung starten soll. Wir gehen kurz in uns und beschließen, dass wir jetzt weder Lust haben, von hier aus zum Visitor-Center, wo wir gerade waren, abzusteigen, noch, die Runde andersherum und am Ende einen extrem steilen Aufstieg zum Artist Point laufen zu müssen. Die Sicht ist hier oben bisher auch noch nicht so überragend, also schieben wir den Artist Point lieber ans Ende der Wanderung. Wir fahren also wieder runter und beginnen die Wanderung lieber vom Visitor Center. Dort kann man direkt in schöner Landschaft loslaufen und am Ende dann vom Artist Point zum Visitor Center wieder absteigen. Vielleicht reißt der Himmel bis dahin auch noch etwas weiter auf. 
Mittlerweile ist es schon nach 13 Uhr, aber was soll's, wir müssen ja nach der Wanderung, die vier Stunden dauern soll, nur noch nach Vancouver fahren. Jetzt erstmal loslaufen und die letzten Kamerabilder für diesen Urlaub machen, in Vancouver wird mal wieder nur das Handy mitgeführt. Die Landschaft hier schreit nochmal nach vielen Fotos, und so wird schon am Visitor Center zum ersten Mal die Kamera ausgepackt. Der See spiegelt einfach zu schön.

Das hübsche Visitor Center. 
Auch hier habe ich mich - wie so oft in den zwei Tagen Abstecher von Kanada in die USA - gewundert, wieso die kanadischen Flaggen hier so anders aussehen.
Hinter dem Visitor Center stürzen wir uns dann endlich in die tolle Berglandschaft. Die Wanderung heisst offensichtlich nicht umsonst "Chain Lakes Loop Trail". Der Trail hat übrigens eine Länge von zehn Kilometern und insgesamt knapp 550 m Höhendifferenz.

Wir folgen dem Weg nach rechts über eine kleine Naturstein-Brücke über den Auslauf des ersten Sees.
Kurz darauf folgt schon die erste Kletterpartie, die auch eine der wenigen anspruchsvolleren dieses Rundweges bleiben wird.
Danach geht es mehr oder weniger steil und teils durch Geröllfelder bergauf.
Wir gewinnen schnell an Höhe und die Aussicht wird immer besser, der vermeintliche Mount Baker hüllt sich allerdings noch in Wolken.
Da oben zu der Felswand wollen wir irgendwo hin.
Mount Baker, der weder Mount Baker noch Mount Anne ist, sondern Mount Shuksan (ja, wir waren extrem gut vorbereitet, welche Aussicht auf welchen Berg man von welchem Punkt aus hat ... nicht!). Zu allem Überfluss verwechsele ich noch ständig Mount Baker und Mount Rainer, und so witzeln wir irgendwann nur noch, dass wir darauf warten, dass Mount Baker uns endlich auch seinen in den Wolken liegenden Rainer zeigt.
Die Felsen, die hier herumliegen sind riesig, fast so groß wie Mount Rainer-Baker-Shuksan.
Die Herbstfarben am Wegrand machen den Weg trotz des steilen Antieges zu einem Vergnügen.
Wir nähern uns dem Sattel mit der Felswand, den wir überqueren wollen, aber es ist noch ein ordentlicher Weg.
Zeit für einen Fotostopp mit Extraktion der Kamera aus dem Rucksack. Immer wieder überholen wir uns gegenseitig mit einer netten Dame aus Seattle, die mindestens so viel fotografiert wie ich. Während unserer Stopps und Überholvorgänge kommen wir immer mal wieder kurz ins Gespräch, bis einer von uns weitergeht und wir uns irgendwann nur noch mit "bis zum nächsten Mal" verabschieden. Immerhin traut sich der inzwischen als Mount Shuksan identifizierte Berg jetzt auch langsam mal aus den Wolken. Der Gatte tauft ihn zwischenzeitlich noch kurz in Mount Anne um, das ist allerdings der kleine Hübbel im Vordergrund.
Ein ganz schön langes Tal sind wir da schon hochgewandert.
Die Felsen auf dem Grat sind beachtlich, diese werden allerdings von uns nur umlaufen, nicht bestiegen.
Mit jedem Höhenmeter wird die Aussicht noch besser, die Herbstfarben tun ihr Übriges.
Zwischenzeitlich haben wir den Sattel und damit eine Höhe mit den beeindruckenden Felswänden erreicht. Rechts im Bild hätte man nun tatsächlich Blick auf den richtigen Mount Baker, wenn dieser nicht wolkenverhangen wäre.
Auch Mount Baker liegt hinter einem schönen Tal mit einem kleinen ... Überraschung: See.
Natürlich darf die Aussicht auf Mount Shuksan nicht vernachlässigt werden, nur weil man jetzt auch Mount Baker sehen kann. Schließlich biegen wir jetzt auch gleich ins Tal hinter den Felswänden ab und werden längere Zeit keinen Blick in diese Richtung mehr haben.
Wir schlagen also jetzt den Weg hinter der Felswand entlang ein. Man hätte sie auch noch besteigen können, aber das lassen wir aus Zeitgründen doch besser.
Finde das lustige Hühnchen, dass uns von der Seite angequatscht hat...

Danach geht es kräftig bergab zum nächsten See (das erklärt dann auch, woher die 550 Höhenmeter bei der Tour kommen - was wir jetzt absteigen, müssen wir hinter dem See auch wieder hoch). Das Wetter ist inzwischen ganz schön, nur Mount Baker ist weiterhin schamhaft umwölkt.
Falls sich an dieser Stelle immernoch jemand fragen sollte, warum die Wanderung "Chain Lakes Loop Trail" heißt, hier der nächste See in der Kette. Mit schöner Spiegelung, aber weiterhin ohne Mount Baker, Rainer, Anne oder Shuksan.

Irgendwie mochte ich die Perspektive mit Wald, Herbstfarben und See vor der Felswand.
Hier hat sich sogar noch ein kleines Schneefeld den ganzen Sommer hindurch gehalten.
Zwischenzeitlich haben wir gut die Hälfte unserer Wanderung geschafft, und es ist Zeit für eine kleine Nachmittagspause. Natürlich am See.
Danach sind wir erholt für den nächsten Anstieg und das nächste Geröllfeld...
... und den nächsten kleinen See.
Langsam nähern wir uns dem Artist Point, die Aussicht wird wieder anders großartig. Zeit für ein paar Kamerafotos. Interessante Farben sind da im Hintergrund im Gestein zu sehen.
Mount Shuksan ist auch noch da, fast ohne Wolken und mit herbstlichen Farben im Vordergrund.


Mehrfach begegnen wir auch unserer Wanderbekanntschaft aus Seattle und jedes Mal versichern wir uns gegenseitig, dass das jetzt ganz bestimmt der letzte Fotostopp war (zumal die Uhrzeit inzwischen doch recht fortgeschritten ist, und wir ja noch nach Vancouver müssen). Dann ist jedoch der Hang, an dem wir entlang laufen, so schön bunt. Und Mount Shuksan ist immernoch fast komplett in Sicht.
... und all die Farben hier.
Zwischenzeitlich führt der Weg über interessante Gesteinsformationen. Haben wir heute so auch noch nicht gesehen (und fotografiert).
Irgendwann passieren wir den Artist Point Parkplatz und hadern ein wenig damit, das Auto nicht doch hier abgestellt zu haben, da wir ja jetzt noch den "Flying Goose Trail" zum Visitor Center hinabsteigen müssen. Wir sind uns allerdings weiterhin einig, dass wir hier weder hätten aufsteigen noch zu Beginn der Wanderung gleich so steil hätten absteigen wollen. Außerdem ist die Aussicht auf noch nicht bekannte Bergketten im frühen Abendlicht jetzt auch nicht zu verachten.
Noch ein letztes Foto von Mount Shuksan mit rosa Blüte im Vordergrund. Danach widmen wir uns dem Abstieg. Mount Baker ist weiterhin schamhaft.

Was uns immer wieder auf unseren Wanderungen begegnet und wir heute noch nicht hatten, steht jetzt auch noch an:  Treppen. Hurrah. Immerhin mit Aussicht.
Der Gatte macht derweil Fotos von mir beim die Treppe hinunter balancieren. Auch mal ein schöner Anblick.
Inzwischen ist das Visitor Center und das Tal mit den kleinen Seen, in dem wir losgelaufen sind, wieder in Sicht. Ganz entfernt auf dem hinteren Parkplatz kann man einen einsam wartenden roten Dodge RAM erahnen.
Hinter dem See kann man ganz gut unsere Aufstiegsroute durch das Geröllfeld erkennen.
Unsere Wanderbekanntschaft ist uns seit dem Artist Point nicht mehr begegnet, vermutlich hatte sie dort geparkt und ist inzwischen wieder auf dem Rückweg nach Seattle. Hier mal eine Übersichtskarte unserer Wanderung aus dem Alltrails Log. Mit Fotostopps und Rast waren wir am Ende gut vier Stunden utnerwegs, in denen wir 3,5 Stunden wirklich gegangen sind.
Auf der Fahrt zur Grenze gönnen wir uns ersteinmal ein Ginger-Ale und salzig-süßes Popcorn. Uns plagte doch ein kleines Hüngerchen. Die Befragung an der Grenze bei der Rückreise nach Kanada ist eine der seltsamsten, die wir bisher hatten. Die einzige Frage neben "Woher und wohin?" ist: "Wieso habt ihr keinen Camper?" Ich bin gelinde gesagt irritiert und frage nach, ob ich die Frage überhaupt richtig verstanden habe. Der Grenzer ist sichtlich amüsiert und erläutert uns, dass er früher am Flughafen gearbeitet hat und alle Deutschen und Niederländer mit Campern unterwegs gewesen seien, wieso wir keinen hätten. Meine Antwort, dass wir gerne in einem richtigem Bett schlafen, trifft auf vollste Zustimmung und schon dürfen wir wieder einreisen.

... und wer zeigt sich noch zum Sonnenuntergang auf der Auffahrt auf den Highway one Richtung Vancouver? - Mount Baker im Schlafrock sozusagen. Offenbar können wir ihn nur aus Kanada sehen, von dort haben wir ihn auch 2014 schon im Blick gehabt.
Wir checken schnell im "Auberge Vancouver Hotel" in der West Hastings Street ein, das so ziemlich das einzige halbwegs preislich akzeptable, zentral gelegene Hotel war.
Danach geht es auf ein isotonisches Hopfengetränk ins Lion's Pub um die Ecke. Mein Wunsch-Bier, dessen Namen ich zwischenzeitlich vergessen habe, ist aus und so nehme ich ein bekanntes Kilkenny.
Nach der Tüte Popcorn ist uns eigentlich nur noch nach einer Kleinigkeit, allerdings ist unsere Bestellung die letzte vor Küchenschluss, und so bekommt der Gatte alle noch vorhandenen Zwiebelringe zum Sandwich, während mein Cajun-Chicken Sandwich auch eher einem ausgewachsenen Burger gleicht. Lecker war es trotzdem, und so können wir sehr satt und müde ins letzte Hotelbett des Urlaubs steigen.