Montag, 27. Februar 2023

Jag Älskar Sverige - "bei 40 Grad und Sonnenschein"

...naja, gefühlt 40 Grad, aber man muss ja mit den Überschriften am Songtext beiben. Fakt ist, wir haben Sturm und Tauwetter, was bei den hier vorherschenden Schneemengen jetzt kein Weltuntergang ist. Der Gatte muss heute im Ferienhaus arbeiten, also mache ich mich, wie üblich reichlich spät, mit meinem neuen Kumpel Volvo auf Entdeckungstour. Ich entscheide mich aus dem Bauch heraus für möglichst verschneite Nebenstraßen, zum einen sieht es schöner aus, zum anderen ist der Fahrspaß und die Chance auf Wildsichtung höher.
Fotostops während der Fahrt und auch aufgrund der Schneehöhen mitten auf der Straße sind unproblematisch. Hier scheint sowieso keiner außer mir unterwegs zu sein, die ersten drei Autos kommen mir irgendwann am Ende meiner Runde zur Rushhour auf den Nebenstraßen entgegen.

Irgendwann fallen mir an den Begrenzungspfosten aufgehängte schwarze Plastikbeutel auf: Es handelt sich hierbei um das international anerkannte Zeichen für "Rentierherde in der Gegend". Tatsächlich funktioniert dieses Konzept besser als die üblichen Warnschilder, die garantiert KEINE Wildtiersichtung vorhersagen. Kurz darauf sehe ich ein ziemlich prächtiges Rentier am Straßenrand in einiger Entfernung stehen. Ich nähere mich langsam und aktiviere sicherheitshalber den Warnblinker, falls mal wieder keiner vorbeikommt, dem ich im Weg sein könnte. Das Rentier ist zwischenzeitlich im lichten Wald verschwunden und tatsächlich so gut getarnt, dass ich eine Weile suchen muss, bis ich es wieder entdecke. Leider sind die Fotos durchs Gestrüpp nicht überragend, aber immerhin ein Anfang.
Man ist sehr beschäftigt mit der Futtersuche und heftig am Graben im Schnee. 
Das Rentier lässt sich von mir zwar nicht ablenken, ist aber auch nicht sonderlich kooperativ und wirft mir nur gelegentlich missbilligende Blicke aus dem Wald heraus zu...
... bevor es sich wieder der Futtersuche widmet.
Immerhin hat sich mal wieder sinnloses Wissen bezahlt gemacht, ohne die schwarzen Plastikbeutel und das Wissen um ihren Hintergrund hätte ich dieses prächtige Tier vermutlich gar nicht bemerkt.
Kurz darauf entdecke ich noch ein Rudel Wintergeflügel, das ich aufgrund der Entfernung nicht genauer bestimmen kann.
Es kann jedenfalls auch fliegen...
... und etwas ungelenk in Bäumen sitzen.
Das wars dann leider auch für heute mit Tiersichtungen, was mich allerdings nicht daran hindert, noch über eine Stunde durch die Landschaft zu fahren und selbige zu genießen.
Auch wenn mein neuer Kumpel Volvo nur mit normalen Winterreifen ohne Spikes ausgestattet ist, kommen wir dank Allrad gut mit den Straßenverhältnissen zurecht. Warum auch nicht, ging ja mit meinem Auto letztes Jahr auch wunderbar ohne Spikes.
Ich finde sogar eine Strecke mit ein paar Blindheads irgendwo im Wald auf dem Weg zu einer Schlittenhundefarm, die ich allerdings fotografisch nicht dokumentiert habe.
Die meisten Landschaftsfotos sind aufgrund des stürmischen Wetters aus dem Auto heraus und mit dem Handy fotografiert, da ich die Kamera in der Hoffnung auf weitere Wildsichtungen mit dem Tele ausgestattet griffbereit auf dem Beifahrersitz liegen habe. Das Nachmittagslicht kommt trotzdem schön zur Geltung.



Irgendwann entdecke ich eine Abzweigung mit einer ausgeschilderten Sehenswürdigkeit namens "Fällforsen" was mein Kopf sofort mit Wasserfall assoziiert (Foss kenne ich sowohl aus Schweden als auch aus Island, Google Translate ergibt später, dass "Forsen" Stromschnellen bedeutet.) Frau hatte mal wieder den richtigen Riecher und findet ein paar dekorativ vereiste Stromschnellen samt Fischaufstiegstreppe mitten im Wald. Immerhin ist hier ein kleiner Parkplatz freigeräumt, viel zugänglicher wird der Aussichtspunkt dadurch allerdings nicht. Für ein paar Fotos habe ich allerdings keine Kosten und Mühen gescheut.

Safety first!

Mein Einsatz lohnt sich, und so gibt es ein paar schöne Aussichten auf die Stromschnellen.

Im Vordergrund erkennt man die Fischtreppe.


Hier kann man ein bisschen den Zustand der Wege erkennen, das Geländer rechts gehört zu einer Brücke...
... zu der ich allerdings gar nicht vordringen konnte, weil ich bereits hier bis übers Knie im Schnee stecke.
Der Picknickplatz, im Sommer sicherlich sehr schön, gerade nicht so einladend.
Dafür nutze ich den Parkplatz, bevor ich aufbreche, noch, um die obligatorischen Mietwagenfotos zu machen.
Schade, am Aussichtspunkt unterhalb der Stromschnellen gibt es leider keine Haltemöglichkeit, also setze ich meinen Rückweg fort, nicht ohne ein paar Fotos aus dem Auto zu machen.

Dort, wo der Fluss nach den Stromschnellen wieder zufriert, haben sich faszinierende Eisschollen gebildet, leider auch hier nur ein schnelles Handyfoto ohne Haltemöglichkeit.
Zurück am Ferienhaus erwarten mich neben meinem arbeitenden Mann eine Zimtschnecke und ein beeindruckender Sonnenuntergang.



Tja, und dann passiert etwas, was vermutlich jeder schonmal auf die ein oder andere Art erlebt hat: Eigentlich möchte man jetzt Abendessen machen und dann kommt was dringendes, wichtiges dazwischen, was nicht warten kann. In unserem Fall hier sind das schon wieder Nordlichter. Ich hatte dieses Gefühl, ich sollte mal noch kurz nach draußen schauen, bevor ich koche. Daraus wird dann eine knappe Stunde faszinierende Nordlichtfotografie und die unweigerlich damit zusammenhängende opulente Bilderflut im Reisebericht.


Heute ist sehr viel Bewegung in den Nordlichtern. Um das einzufangen, muss ich verhältnismäßig kurz belichten, was aufgrund der Helligkeit der Nordlicher zum Glück unproblematisch ist.




Ich wechsele immer mal wieder den Standort, kann aber unsere Terrasse nicht verlassen, weil um unser Haus herum dank des Tauwetters alles aus spiegelglattem Eis mit Wasserfilm und Matsche besteht. Außerdem muss ich versuchen, windgeschützt zu stehen, damit mir der heftige Sturm die Kamera nicht wegweht. Ehrlich gesagt bin ich erstaunt, dass die Aufnahmen nicht komplett verwackelt sind.
Faszinierend, wie unterschiedlich die Nordlichter aussehen.

Zwischenzeitlich taucht etwas auf, was an eine violette Drogenphantasie erinnert.

Nach etwa einer Stunde beruhigt sich das Ganze eben so schnell, wie es begonnen hat und es gibt doch noch Abendessen. Es waren sowieso nur Nudeln mit Tomatensoße aus der Tüte geplant, schließlich will ich meinen Urlaub draußen mit Kamera und nicht mit stundenlangem Kochen verbringen. Zum Grillen ist es ja sowieso viel zu stürmisch.

Einschub - Nordlichter... Mal wieder.

Ich scheine entweder einen guten Riecher oder einfach Glück zu haben. Gegen 21:30 beschleicht mich ein Gefühl, nochmal kurz auf die Terasse zu treten, um nach Norldlichtern Ausschau zu halten. Tatsächlich ist wieder ein leichter Grauschleier zu erkennen. Die Kamera empfängt grün. Kurz darauf wird das Grün auch mit bloßem Auge sichtbar, und es entstehen ein paar schöne Fotos mit Nordlicht und Ferienhaus.

...zum Glück wurden wir nicht in den Wirbel eingesaugt.

Plötzlich kommt doch ordentlich Leben in die Bude und ich komme kaum noch hinterher mit Kamera ausrichten, Belichtung einstellen und Standort anpassen. Aber der Stress hat sich gelohnt, denke ich. Ich bebieldere hier etwas opulenter:


Der strahlende Mond dazwischen hat ja auch was.



Das Ferienhaus ist auch immer wieder ein schönes Motiv dazu.

Inzwischen geht es so wild zur Sache, dass ich nur noch verhältnismäßig kurz belichten kann, um die Bewegung noch einzufangen.
Wir diskutieren noch, ob es sich hier um ein brennendes Seepferdchen oder einen mutierenden Pelikan handelt.


Wir können uns kaum sattsehen, zwischenzeitlich komme ich beim permanenten Standort wechseln und Kamera einstellen tatsächlich ein wenig ins Schwitzen und auch die zeitweise etwas eingefrorenen Finger und Zehen werden wieder warm.


Zwischenzeitlich kommt auch noch ein wenig Rot ins Spiel. 


Dann passiert, was passieren musste, wenn man in einer steilen, verschneiten Einfahrt Nordlichter mit Stativ fotografiert und das ganze Konstrukt samt Kamera kippt. Ich kann es glücklicherweise auffangen, allerdings fällt mir dabei mein Handy, das ich als Fernauslöser nutze, aus der Hand und gleitet elegant den Hang herunter. Während ich das Handy einfange, entschließen sich Stativ samt Kamera, doch zu kippen, während der Gatte sicherheitshalber lieber Sternbilder bestimmt, als in die Rettungsaktion einzugreifen. Die Kamera dokumentiert das Ganze immerhin noch künstlerisch wertvoll im freien Fall.
Zum Glück landet sie in relativ weichem, aber nicht allzu tiefem Schnee und übersteht das Ganze, wie ich mich nach einer kurzen Reinigungs- und Testaktion überzeugen kann, augenscheinlich unbeschadet. Nur die Sonnenblende habe ich nicht überprüft, und so hat das letzte Bild dann rechts und links eine schwarze Ecke. Macht aber nichts, die Nordlichter lassen nach, und die Bewölkung zieht zu, wir begeben uns sicherheitshalber wieder nach drinnen, bevor noch irgendwer im Dunkeln irgendwo runter fällt.