Fangen wir mal mit dem Frühstück an, wie jeden Tag. Dieses ist alleine schon aufgrund der Tatsache, dass es wochentags nur bis 9:30 Frühstück gibt, stressig. Noch dazu stellen wir fest, dass wir nach dem ersten Gang mit hervorragendem knusprigem Speck zu den Pancakes,
obwohl wir noch Kaffee, Saft und ein Smoothie auf dem Tisch stehen hatten, bei Rückkehr vom zweiten Buffetgang zu einem jungfräulich eingedeckten und komplett abgeräumten Tisch zurückkehren. Der Gatte ist leicht verstört und glaubt, in einer Zeitschleife festzustecken, während ich mich in meiner schon seit dem Check-in gestern leicht angenervten Meinung vom Personal hier, das offensichtlich nur stumpf sein Programm abspult, ohne rechts und links zu schauen, bestätigt fühle. Schade, wenn die Getränke völlig unnötig entsorgt wurden, holen wir eben neue, und ab jetzt bleibt immer einer am Tisch hier. War bisher nie ein Problem, so riesig sind die Frühstücksräume hier nicht, und so lange Getränke da standen, wurde auch noch nie abgeräumt. Wir lassen uns dennoch den Appetit nicht verderben und frühstücken ausgiebig weiter.
Heute mal ein dekonstruiertes Urlaubsbrot für mich.Hier ist auch das erste Hotel, bei dem der Filterkaffee zu dünn ist, eigentlich habe ich in Norwegen bisher immer guten und kräftigen Kaffee getrunken. Ich weiche - auch wenn es mir aus ökologischen Gründen widerstrebt - auf die Kapselmaschine aus, der Kaffee ist nämlich leider sehr gut. Der Müsli-Contest wirkt bei uns beiden hingegen heute etwas uninspiriert.
Dafür kommen wir dank des für unsere Verhältnisse frühen Frühstücks auch verhältnismäßig früh los und haben so noch etwas Zeit, uns die Petroglyphen in Alta, die immerhin UNESCO Weltkulturerbe (https://whc.unesco.org/en/list/352/) sind, anzuschauen. Zunächst besuchen wir das Museum, dass einiges zur Entstehung, Pflege und Interpretation der Zeichnungen erklärt. Außerdem gibt es noch eine schöne Installation mit Rentiergeweihen. Sollte das etwa ein gutes Omen für den Rentier-Counter sein?
Nach dem Museum geht es auf einen insgesamt vier Kilometer langen Spaziergang durch die Petroglyphenfunde. Landschaftlich schön, die weißen Pflöcke markieren den Standort einer steinzeitlichen Unterkunft.
Nach kurzen Laufweg erreichen wir eine schöne Rastmöglichkeit, die wir allerdings nur für ein Foto nutzen.
Eigentlich braucht es hier gar keine Petroglyphen, die Natur selbst hat schon genug auf die Felsen gemalt.
Zu meiner großen Freude hat man damals schon gerne Elche gezeichnet.
Immer wieder werde ich von der Landschaft abgelenkt.
Herbstfarben.
Auf diesem Stein verstecken sich ganz viele Rentiere.
Dann ist da wieder Landschaft. Zugegeben, fotografiert sich einfach besser als die Petroglyphen. Soll nicht heißen, dass wir diese nicht auch würdigen und uns sehr an unserer ureigenen Interpretation der selbigen erfreuen. Ich bin zum Beispiel inzwischen überzeugt, dass es vor Christus in Alta Nilpferde, Gazellen und Antilopen gab. Eventuell auch Schildkröten.
Was macht die Natur auch für tolle Kunstwerke hier,
... wie soll ich mich da auf das Schiff auf dem Felsen konzentrieren?
Hier wird ausdrücklich auf den rot gefärbten, eisenhaltigen Stein an der Uferlinie hingewiesen. Ich darf mich also an dieser Stelle ganz legal von der Landschaft ablenken lassen.
Der Weg ist übrigens heute mal einfach und bequem.Selbst hier gibt es schöne Herbstdeko überall.
Zwischen den beiden Petroglyphenfeldern, die man durchlaufen kann, stehen zwei Jurten und ein Haus, scheint eine Veranstaltungslocation zu sein.
Blick von oben auf eines der beiden Felder.Ich versuche, mich dieses Mal wirklich auf die Felszeichnungen zu konzentrieren, wäre da nicht dieser an und für sich schöne Fels.
Ok, hier ist ein Bär gezeichnet, man hat hierfür die natürliche Felszeichnung genutzt. Damit kann ich arbeiten.
In diesem Teil des Rundgangs wurden die Zeichnungen restauriert und in Farbe nachgezeichnet, Ursprünglich waren sie wohl auch bunt. Inzwischen ist man davon wieder abgekommen und versucht, sie im jetzigen Originalzustand zu belassen bzw. die nachgezeichneten auch wieder in diesen zurückzuführen. Zu fotografieren ist es so natürlich einfacher. Man kann hier eindeutig Elche, Rentiere und Gnus erkennen.
Jagdszenen: Man hat hat hier Zäune zur Jagd von Rentieren und Ameisenbären eingesetzt. Ich erwähnte oben schonmal, dass mir bei der Interpretation der Zeichnungen öfter mal die Fantasie ein wenig durchgeht.
Bei dem Kranz rechts im Bild sind sich die Experten nicht sicher was es ist. Ich denke, es ist ein Virus, der die Wasserbüffel in Norwegen (unten im Bild) ausgerottet hat.Rentiere. Viele Rentiere. Vielleicht wirklich ein Omen, für den weiteren Tagesverlauf?
Jagdszenen. Man hat (das ist jetzt eine der seriösen Erklärungen aus dem Begleitheft zum Rundgang) zu dieser Zeit wohl schwimmende Rentiere mit Pfeil und Bogen aus Booten gejagt.
Hier hat man wohl dem Bären einen dicken Fisch (der Gatte liest: Heilbutt) vor der Nase weggefangen.
Szenen mit Geflügel. Laut Begleitheft sieht man Kormorane, Gänse und Alken. Der Gatte interpretiert, da hat jemand mehrere Anläufe gebraucht, bis er das Tier richtig zeichnen konnte.
Besonders erfreut mich, dass man damals wohl Boote mit Elchköpfen als Galeonsfigur hatte. Das Begleitheft bestätigt meine Interpretation.
Zum Abschluss noch was aus der Reihe "auch die Natur allein malt schöne Dinge in den Fels", und damit beenden wir unseren Rundgang, und ich entschuldige mich für meine nicht immer absolut seriösen Erklärungen.
Jetzt waren wir hier doch gut zwei Stunden unterwegs und treten dann nun endlich die 275 km lange Fahrt Richtung Nordkapp an. Die erste Hälfe der Strecke fahren wir durch eine Art Hochland, trotz beeindruckender Landschaft verkneife ich mir Fotostopps, wir wollen schließlich heute noch am Nordkapp ankommen, und die Fahrzeit ist auf gut vier Stunden angesetzt. Das geht genau so lange gut, bis wir auf den offensichtlichen Grund treffen, wieso wir bisher nur genau 14 Rentiere gesehen haben. Alle, wirklich alle, anderen scheinen sich hier aufzuhalten. Da muss ich mal ganz flott das Tele anschrauben und ein paar Fotos machen.
Wer hier schon länger mitliest, weiß, bei Tieren bin ich fotografisch nur ganz schwer zu bremsen.
Sie sind halt auch schon hübsch, auch wenn es keine Elche sind.
Die Umgebung mit Herbstfarben und Wasser tut ihr übriges.
Ich reiße mich los und fahre etwa zwei Kilometer weiter, bis wir auf die nächsten Herden treffen. Naja, wenigstens lohnt sich das Tele heute mal.
Nur damit man mal einen Eindruck bekommt, WIE viele Rentiere hier unterwegs sind. Alle halt.
So ein hübscher. Und wie er guckt!
Noch ein schnelles Landschaftsfoto, um einen Eindruck zu vermitteln, und dann fahren wir aber wirklich weiter, um heute noch zum Nordkapp zu kommen.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt drückt mal wieder die Blase und ein Hüngerchen meldet sich. Also gibt es einen landschaftlich schönen Zwischenstopp auf einem Rastplatz mit - wie hier üblich - blitzsauberen Toiletten.
Weiter gehts durch herbstliche Berglandschaften.
Hier bekomme ich noch mein Wunschfoto "Rentier am Strand", auch wenn sich der Prachtkerl just in diesem Moment zu einem Nickerchen niederlegt.
Das ist dann aber auch das letzte Rentierfoto für heute. Die Sichtungen können wir schon lange nicht mehr zählen.
Kurz darauf erreichen wir den 7 km langen Nordkap-Tunnel. Wir denken uns nichts böses dabei, wir sind in den letzten beiden Wochen insbesondere auf Senja durch so viele, teils einspurige Tunnel gefahren und auch Tunnel unter Fjorden hindurch, dass uns ein gut ausgebauter und beleuchteter Tunnel mit je einer kompletten Fahrspur für jede Richtung getrennt durch einen Mittelstreifen jetzt erstmal nicht verdächtig vorkekommt. Der Tunnel geht allerdings mächtig steil bergab und der Blick auf meine Uhr sagt, dass wir uns zwischenzeitlich auf -200 m befinden. Der Gatte schießt ein Beweisfoto unter widrigen Umständen.
An der tiefsten Stelle befinden wir uns 212 m unter dem Meer. Wir sind doch ganz dezent beeindruckt. Der Tunnel darf übrigens auch mit dem Fahrrad und zu Fuß genutzt werden. Ein Erlebnis, dass von uns beiden keiner unbedingt haben müsste. Die Landschaft ist inzwischen auch erwartungsgemäß komplett karg, dafür hat man frühzeitig Sicht auf das Nordkapp - zumindest das leicht zu erreichende, der eigentlich nördlichste Punkt Europas liegt auf der Landzunge daneben und ist nur durch eine Wanderung von 9 km einfache Strecke über kargen Schotter zu erreichen. Nein, das brauchen selbst wir nicht und schon gar nicht bei dem Wind, der hier heute pfeift.
Wir fahren also einfach zum öffentlich zugänglichen Nordkapp, zahlen brav Park- und Eintrittsgebühr für Außengelände und Nordkapphallen (once in al Lifetime und so) und versuchen, irgendwie die Aussicht zu genießen, ohne dass es uns die Brillen von der Nase pfeift.Obwohl noch etwa 5 große Reisebusse auf dem Parkplatz stehen, ist es angenehm leer. Es ist inzwischen auch schon 17 Uhr, was das Licht umso schöner macht.
Offenbar haben die Busse hauptsächlich deutsche Reisende hierhin gebracht, die - wie wir später herausfinden - vermutlich mit der MS Finnmarken der Hurtigruten eine Kreuzfahrt Hamburg - Nordkapp - Hamburg machen und eine ganz leicht aggressive Stimmung verbreiten. Während wir vollkommen ungestört und, ohne auch nur ansatzweise die fünf anderen hier anwesenden Menschen zu stören, unsere Fotos und Selfies machen (wie man sieht ist es auch problemlos möglich, die Weltkugel ganz ohne Menschen zu fotografieren, wenn man die Momente abwartet, wo garade niemand auf der Plattform steht) dürfen wir miterleben, wie die Dame eines Paares die gerade ihren Mann vor der Weltkugel fotografieren möchte, eine offenbar Mitreisende mit einem höchst unfreundlichen "Jetzt warten sie doch bitte mal" anblafft, als diese auch nur einen Schritt in Richtung der Treppe zur Kugel tut.
Leicht verstört über die Stimmung unter unseren Landsleuten (vielleicht war es auch eine Art Lagerkoller nach der Busfahrt hier hoch) ergreifen wir mal lieber die Flucht von diesem heißen Pflaster. Gemütlich ist es auch wegen des Windes hier nicht. Aber wir waren da und haben unsere Fotos. Ohne Menschen sogar, womit ich absolut gar nicht gerechnet hätte. Und die Aussicht gibt es quasi gratis dazu, wenn man nicht wegfliegt.
Blick zur NordkapphalleNeben der Nordkapphalle steht noch ein Kunstwerk mit mehreren Bronzetafeln, deren Vorlage von Kindern unterschiedlicher Nationalität als Zeichen dafür gefertigt wurden, dass Kinder auch ohne die gleiche Sprache zu sprechen, zusammen Dinge entwerfen können.
Auch hier spüre ich eine leichte Aggression unter den drei anderen anwesenden Landsleuten, die sich böse Blicke zuwerfen, sobald sich jemand dem Kunstwerk nähert oder ein Schatten das Bild stören könnte. Wir machen einfach unsere Fotos aus gebührendem Abstand und ignorieren die unweigerlich aufgrund des Sonnenstandes vorhandenen Schatten. Danach lassen wir uns gemütlich zur Nordkapphalle wehen, wo wir bis auf die Mitarbeiter und vielleicht noch 10 weitere Menschen in der gesamten Halle alleine sind, die Busse sind nämlich inzwischen abgefahren.
Dafür treffen wir, sehr zu unserer Freude, einen "alten Bekannten" von unserem Schweden-Urlaub 2020 wieder. Dort haben wir in dem kleinen Örtchen Utanede damals einen Thailändischen Tempel (ich habe hier mal den damaligen Bericht als Link hinterlegt) entdeckt - ich zitiere mich von damals: Da der Pavillion direkt auf unserer Strecke liegt, muss ich das mit eigenen Augen gesehen haben. 1897 war der thailändische König Chulalongkorn in Utanede in Schweden zu Gast. Zu seinen Ehren wurde zum hundertjährigen Jubiläum des Besuches ein Thailändische Pavillion in einem winzigen schwedischen Dorf errichtet. Eben dieser hat einige Jahre später auch das Nordkapp besucht. Wie klein die Welt doch ist.
Nach unserer Besichtigung der Halle werfen wir nochmal einen Blick aus dem vor Wind schützenden Panoramafenster nach draußen.Danach stürmen wir (fast allein und ungestört) den Souvenirshop und decken uns mit Merchandise ein. Danach geht es bei traumhaftem Licht mit diversen Fotostopps und vorbei an noch diverseren Rentieren quasi überall am Straßenrand zurück nach Honningsvåg, wo wir heute die Nacht verbringen wollen.
In Honningsvåg liegt gerade noch die Finnmarken, die sich aber kurz darauf mit ihrer latent aggressiven, deutschsprachigen Fracht auf den Weg nach Tromsø macht.
Wir gehen zum Check-in des hier am Hafen befindlichen Scandic-Hotels und bekommen ein wenig Puls, als man uns glaubwürdig versichert, man habe keine Buchung für uns. Auch wir können in unseren Buchungen zunächst kein "Scandic Honningsvåg" finden, wohl aber ein "Scandic Bryggen". Auf unsere vorsichtige Frage, ob es in diesen überschaubaren Ort etwa zwei Scandic Hotels gibt, bejaht dies der Mitarbeiter und schickt uns ins zwei Minuten entfernte Schwesterhotel. Wer hätte gedacht, dass es hier zwei Scandic Hotels gibt, wir haben einfach ganz unbedarft "Scandic Honningsvåg" ins Navi eingegeben, ohne die Daten nochmal genauer zu verifizieren. Naja, immerhin sind die beiden Hotels weniger weit voneinandern entfernt als Frankfurt und Frankfurt-Hahn, da haben wir nochmal Glück gehabt.
Das Zimmer ist in Ordnung, die Aussicht schön.
Inzwischen ist es doch schon gleich viertel vor Acht und der Hunger treibt uns zügig zur "Corner Spyseri" durchs beschauliche Honningsvåg.
Bei Mack "Nordlys" (eines unserer favorisierten Mack Biere)...
... und einer sehr guten Fischsuppe als Vorspeise...
...beobachten wir die Finnmarken durchs Fenster beim Ablegen.
Wir gönnen uns heute mal die Königskrabbe. Sehr lecker, genau wie die zugehörige Aioli, zu der wir uns noch Brot nachbestellen.
Statt Nachtisch gibt es Nordlichter auf dem Heimweg, der Gatte dokumentiert freundlicherweise mit seinem Apfel-Telefon, das Nordlichter ganz gut hinbekommt. Dabei sollte es doch heute Abend bewölkt sein...
Ich kann es mir natürlich nicht verkneifen, noch kurz die Kamera nach draußen zu holen, auch wenn momentan nichts zu sehen ist. Mache ich halt Fotos vom Hafen.
Ein bisschen was zeigt sich über dem Berg.
Ich mache noch ein paar Verzweiflungsfotos von dem schwächelnden Nordlicht, weil mir die Fotos mit den Schiffen so gut gefallen. Ruhiges Wasser für eine Spiegelung wäre hier auch vorhanden, dafür reicht es aber heute leider nicht.
Immerhin können wir morgen wieder was länger schlafen, Frühstück gibt es hier entspannt bis 11 Uhr.
Elch-Counter: 0
Einhorn-Counter: 1
Rentier-Counter: ALLE.
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