Samstag, 12. September 2020

...und plötzlich auf der Heimreise

Wenn man seine bisherigen Rundreisen mit einem Flug begonnen und beendet hat, kommt der lange Heimweg mit dem Auto doch ziemlich überraschend und erschreckend nahtlos. Waren wir gerade noch in den schwedischen Bergen auf der Suche nach dem goldenen Elch, inmitten von röhrenden Rentieren, herbstlich roten Blaubeerpflanzen, Wäldern und Seen, sehe ich mich jetzt gezwungen, die letzten zwei Tage aufgrund der recht langen Fahrstrecke und weitgehend fotolosen und unspektakulären Abläufe zusammenzufassen. 

Wir verlassen also zunächst das Pernilla Wiberg Hotel in Idre, wo wir, nach dem schon teilweise enttäuschenden Abendessen und nicht wirklich überzeugenden Frühstück am Vortag, leider feststellen müssen, dass es auch hier noch eine Steigerung nach unten geben kann. Das Hotel läuft, wie einige andere davor auch, im Nebensaisonbetrieb, was ja in gewissem Rahmen kein Problem ist. Hier hat man allerdings als "Notbesetzung" offenbar die unfähigsten jungen Damen, die man vor Ort bekommen konnte, in Dienst gestellt. Das Frühstück ist nicht nur lieblos, man ist offenbar nicht einmal in der Lage, Orangensaft nachzufüllen, wenn dieser leer ist und der Apfelsaft schon etwas ungesund aussieht. Es macht den Eindruck, als würde das (morgens nicht vorhandene) Küchenpersonal abends alles vorbereiten und die morgens anwesenden Damen (übrigens in drei Tagen insgesamt 6 verschiedene, eine inkompetenter als die andere) schaffen es mit Mühe und Not, das Vorbereitete hinzustellen. Mehr aber auch nicht. Was alle ist, ist alle, nach Möglichkeit hält man sich sicherheitshalber auch außer Sicht der Gäste auf. Man muss dazu sagen, es handelt sich hier durchaus um ein hübsches, nicht ganz billiges Hotel, weshalb man der gesamten Kundschaft (überwiegend gediegene, ältere Herrschaften) auch die Unzufriedenheit ansieht. Beschweren kann man sich aber auch nicht, denn zum Checkout sind die Damen taktischer Weise ebenfalls nicht anwesend. Wir legen also, wie alle anderen auch, unsere Zimmerkarten des (leider) bereits bezahlten Zimmers auf den Tresen und fragen uns, ob es nicht sinnvoller wäre, das Hotel dann in der Nebensaison zu schließen, statt sich den Ruf zu verderben. Während der Fahrt liest mein Mann mal interessehalber die aktuellen Kritiken, die tatsächlich seit Beginn des Monats September gerade bezüglich des Frühstücks drastisch absinken. Bei der Hotelwahl Ende August waren die Kritiken nämlich noch durchaus gut. Naja, dafür war es wie immer nicht wirklich voll und man konnte Abstände gut in allen Lebenslagen einhalten. Zumal man in Schweden vielerorts schon merkt, dass gerade die ältere Bevölkerung sehr vorsichtig und auf Abstand bedacht ist. An Stelle von Frau Wiberg würde ich mir allerdings mal überlegen, ob ich für dieses Niveau in der Nebensaison meinen Namen bereitstellen wollen würde. Genug geschimpft, es sollte der einzige "Fehlgriff" bei den Hotels diesen Urlaub sein. 

Heute haben wir 293 km Fahrt, für die aufgrund der Landstraßen, auf denen man hier in der Regel zwischen 70 und 90 km/h fahren darf, knapp vier Stunden zu veranschlagen sind. Da es aber hier auch nichts spezielles zu besuchen gibt, läuft es einfach auf gemütliches durch die Landschaft Gondeln heraus. Am Ortsrand von Idre haben wir am Vortag noch ein kleines Geschäft, das unter anderem Outdoorbekleidung verkauft, gesehen. Da wir beide Bedarf für neue Outdoorhosen für Urlaub, Wandern und Sport haben, schauen wir mal rein und werden, wie so oft, nicht fündig. Die Herrenhosen sind nur in zu großen Größen vorhanden, die Damenhosen passen mal wieder nicht zu meinem Körper. Was soll's, es war kaum etwas los, man konnte Abstand halten und zu Hause kann ich mich sowieso nie zum Shoppen durchringen, also war es den Versuch wert. Auf unserer weiteren Fahrt finden wir allerdings noch zwei direkt nebeneinander liegende und fast leere Sport-Outlets, in einem wird die Frau fündig, in einem der Gatte. Wieder mal geschickt ums Shoppen zu Hause gedrückt und recht günstig waren die Hosen auch noch.

Während der gesamten Fahrt halten wir natürlich Ausschau nach Elchen. Schließlich ist Schweden "Elchland" und angeblich sieht hier ja jeder befragte Schwede (ohne wie wir gestern dämlich drei Stunden durch den Wald zu gondeln) ständig Elche. Wir leider nicht. Irgendwann steht am Weg- und Waldrand an einer durchaus gut befahrenen Landstraße ein Warndreieck und ein Auto, und jemand zieht etwas durch den Wald neben der Straße. Ich sage im Scherz noch zu meinem Mann "Pass auf, hier ziehen sie jetzt den geschossenen Elch aus dem Wald". Dummerweise sollte ich recht behalten, ein Ehepaar hatte offenbar mehr "Glück" als wir, sie ziehen gerade auf einer Art Bollerwagen einen toten (und sehr deprimierend aussehenden) Elch aus dem Wald. Ein weiterer kleinerer liegt schon im Autoanhäger. Es macht den Eindruck, als hätte man mal eben am Waldrand angehalten und zwei Elche geschossen. Ja, es ist üblich, in Schweden Elche zu jagen, und wohl auch notwendig, um die Population in Zaum zu halten, aber muss man uns auf diese Art vorführen? Oder hat etwa jeder Schwede einen toten Elch im Keller, den er zur Jagdsaison durch die Gegend schleift oder aufhängt, um Touristen vor Augen zu führen, wie viele Elche es doch angeblich gibt, aber man sieht sie nicht??? Wir sind frustriert. Zum Glück bleibt dies unsere einzige unerfreuliche Begegnung an diesem Tag, auch wenn ich inzwischen minütlich damit rechne, dass mir auf dieser Tour noch ein angeschossener Elch sterbend genau vorm Auto zusammenbricht.

Irgendwann erreichen wir Sunne, um uns weiter zu frustrieren, stehen hier in der Ortsdurchfahrt nicht nur offizielle, sondern auch handgemalte "Elchwarnschilder", es scheint also auch hier reichlich davon zu geben. Wir checken ins Hotel "Selma Spa" ein und erkundigen uns zunächst an der Rezeption in Hinblick auf eventuelle Spaziergänge, ob wir zur Sicherheit Warnwesten tragen sollen bzw. ob hier schießwütiges Volk auf Elchjagd unterwegs sei. Sie versichern uns glaubwürdig, dass hier in der Gegend nicht gejagt wird. Nach der Sichtung des Zimmers 


begeben wir uns zur Entspannung in den wirklich riesigen, tollen Wellnessbereich. Da uns die Luft am Innenpool deutlich zu warm ist, begeben wir uns nach draußen, die Sonne scheint und es gibt einen herrlichen kleinen Infinity-Pool, in dem man gefühlt direkt im Ententeich schwimmt. Wir haben zumindest noch eine erfreuliche Begegnung mit "Wildlife" und beobachten zwei etwas ungeschickte Entendamen bei ihren oft irgendwie missglückt aussehenden Tauchversuchen. Entweder sie sind jung und üben noch, oder die beiden Mädels machen hier einen Wellnesstag und hatten schon ein paar Schlückchen Sekt vorm Baden.

Zum Abendessen begeben wir uns in das wieder recht gut distanzierte Hotelrestaurant. Hier trägt übrigens das Personal im gesamten Hotel Masken und hält sehr ordentlichen Abstand zum Gast. Das Restaurant ist nicht allzu voll und wir genehmigen uns heute drei Gänge kombiniert mit einem Glas italienischen (Bio-)Kulturgut in der Farbe rot für den Gatten und weiss für mich. Die Vorspeise fällt zur Abwechslung mal wieder der (Neu-)Gier zum Opfer, dabei ist sie sehr gut und zugleich recht fotogen. Ich habe mal wieder den schwedischen Kaviar mit Toast und roten Zwiebeln, allerdings sehr schön interpretiert mit getoastetem Weissbrot und den Zwiebeln in einer Art Frischkäse. Mein Mann experimentiert mit Glasnudelsalat mit Garnelen, Pinienkernen und Fichtennadeln, die irgendwie eingelegt, gekocht oder sonstwie weich geworden sind. Schmeckt lecker, sagt er. Der nördlichere Schwede kocht bzw. würzt offenbar ganz gern mit Fichte, in meinem Cocktail vor einigen Tagen war ja auch schon Fichtenzucker und ein dekorativer Fichtenzweig. Bei der Hauptspeise, Rinderfilet mit Pfeffersoße und Kabeljau mit Pilzsoße, denke ich sogar ans Foto.


Beides nach der eher enttäuschenden Gastronomie in Idre wieder sehr gut. Bei der Nachspeise bin ich dann die experimentierfreudige, der Gatte entscheidet sich für die bewährte Crème Brullée.

Mein Eis ist "Messmör-Burbon" und der Kellner (übrigens schon wieder ein sehr aufmerksamer, gut ausgebildeter und engagierter junger Mann) erklärt mir, Messmör sei eine süße schwedische Butterspezialität, in diesem Falle eben in Form von Eis mit Whsikeygeschmack. Klingt gut und schmeckt auch hervorragend, erinnert mich an Butterscotch-Bonbons, die ich irgendwann in meiner Jugend mal gern und oft gegessen habe.
Und weil der junge Mann so nett und gesprächig ist, befragt frau ihn noch inquisitorisch nach der Chance einer Elchsichtung in Hotelnähe. Er sagt, die Chancen stünden gut, zumal sich die Elche zur Zeit oft in Orts- und Seenähe aufhalten, da hier nicht gejagt wird. Er empfiehlt uns einen Spaziergang zum nahegelegenen See und/oder um das Hotel herum auf dem beleuchteten Waldweg. Bis wir allerdings wieder spaziertauglich umgezogen sind, ist es schon recht dunkel. Tapfer wandern wir trotzdem eine etwa 4 km lange Runde zum See und hinter dem Hotel am Waldrand zurück, aber außer wüsten Beschimpfungen eines Käuzchens haben wir keinerlei Wildkontakt. Aus Frust genehmigen wir uns noch einen Cocktail in der - wieder einmal fast leeren - Lobby.
Wieder der gleiche schwedische Gin wie in Storhogna, diesmal mit Rhabarbertonic und rosa Pfeffer und ein Midori Sour. Midori ist übrigens das japanische Wort für "grün" und gleichzeitig Name für den gleichfarbigen Melonenlikör. Man sitzt hier sehr stylisch auf einem Glasboden über dem Poolbereich.

Am nächsten Morgen kommen wir dann auch wieder in den Genuss eines richtig guten und reichhaltigen Frühstücksbuffets. Streng distanziert natürlich. Ich nutze die Gelegenheit, Messmör als Brotaufstrich zu testen, es schmeckt einfach wie furchtbar fettiges Karamell. Zum Verfeinern von Eis oder ähnlichem sicher geeignet, pur muss es nicht sein. Ich habe mal versucht, herauszufinden, was es genau ist, ich wurde aus der Erklärung nicht so richtig schlau, wollte es aber auch eigentlich sowieso nicht nachkochen. 

Heute haben wir eine etwas längere Fahrstrecke von 670 km vor uns, die aufgrund der entspannten schwedischen Straßenbedingungen gut 8 h Fahrzeit bedeuten. Zugleich bedeutet dies, dass wir Schweden damit auch heute leider schon wieder verlassen werden. Knapp zweieinhalb Wochen sind halt doch recht kurz für eine Rundreise mit An- und Abreise, aber es war ja auch eigentlich alles ganz anders geplant. Natürlich hätte man jetzt noch 1-2 Tage entspannt an der Westküste Schwedens entlang bummeln können, aber da dort eher dicht besiedelt ist und damit auch recht hohe Infektionszahlen einhergehen, fahren wir lieber durch bis Dänemark und gönnen uns dort noch einen Ruhetag vor der endgültigen Heimreise. Wir fahren die Strecke weitgehend durch, nur in Falkenberg machen wir einen kurzen Stop, um im "Borgmästargården Kafé&Konditori" eine Zimtschnecke zu probieren. Irgendwo hatte ich gelesen, dass diese die besten in ganz Schweden sein sollen und das ist Grund genug, einen kleinen "Kaffeestop" einzulegen. Außerdem ist zumindest die Innenstadt von Falkenberg auch ganz hübsch.

Die Zimtschnecke war wirklich gut; ob es jetzt die beste Schwedens war, kann ich aufgrund von zu geringer Stichprobenanzahl während des Urlaubs nicht sagen. Der Hefeteig war jedenfalls hervorragend, also backen können die in dem Laden definitiv.
Weil es so lecker aussah, haben wir für die weitere Fahrt noch ein pastetenartiges Teilchen mit Zucker bestreut mitgenommen. Dieses fiel dann kurz vor der Öresundbrücke bei einer Pinkelpause dem kleinen Hunger ohne Foto zum Opfer. Es könnte sein, dass es ebenfalls Messmör enthielt. Zum Backen und Kochen scheint das Zeug also wirklich ganz gut geeignet zu sein. Der Gatte hielt natürlich die ganze Fahrt durch Schweden noch die Augen nach Elchen in alle Richtungen offen und kommt am Ende immerhin auf eine durchaus beeindruckende Anzahl von etwa 20 Reh-Sichtungen. Elchsichtungen gab es diesen Urlaub also leider mal wieder keine, zumindest keine in einem Zustand, der mich erfreut hätte. Gegen 18:30 erreichen wir das "Comwell Hotel Køge Strand" auf Seeland, ewa 50 km südlich von Kopenhagen. 

Hier gönnen wir uns morgen noch einen Ruhetag, bevor wir die restliche Heimfahrt antreten. Wir machen noch einen kleinen Strandspaziergang nach der langen Sitzerei im Auto. Ist ja recht nett hier, wenn es nicht so furchtbar flach wäre. Für einen Tag ok, aber für einen längeren Urlaub fehlt mir die Topografie.





Zum Abendessen gehen wir in die Bar, das Restaurant ist uns zu voll. Außerdem ist die Tageskarte sehr klein und sagt uns auch nicht wirklich zu. Zur Abwechslung testen wir heute mal dänisches Bier, das Brygstjernen Royal Pilsner, harmlos, aber süffig (ökologisch ist es laut Karte auch noch).
Dazu einen leckeren Burger mit Bio-Rindfleisch, Pommes und hausgemachtem Ketchup. Alles sehr lecker. Außerdem wenig los und viel Abstand.

Mehr brauchen wir heute Abend dann auch nicht mehr und wir gehen ins Bett. Fahren ist auch anstrengend. Gelaufen sind wir in Falkenberg und am Strand noch dazu immerhin etwa 4 km.

... ist jetzt doch erstaunlich lang geworden, dafür dass nicht viel passiert ist.

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