Donnerstag, 17. September 2020

Gedanken im Nachgang

Nachdem wir uns vorab ja schon verdammt viele Gedanken aufgrund der Corona-Situation und den Reise- und Infektionsbedingungen und Regelungen in verschiedenen Ländern gemacht haben, möchte ich die ganze Reise sowohl diesbezüglich, als auch in Hinblick auf die sehr spontane Planung und Buchung und "Reisen mit dem eigenen Auto, wohin man sonst eher fliegen würde" noch einmal rekapitulieren.
 
Vorab: Es geht NICHT um die Frage, ob man zu Corona-Zeiten überhaupt reisen sollte. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Uns ist schon während unseren Planungen bewusst geworden, dass wir, dank unserer schon vor Corona leicht misanthropischen Ader gepaart mit meinem Hang zur Soziophobie eigentlich gar nicht viel an unseren Urlaubsgewohnheiten ändern müssen. Vielleicht haben wir einfach schon immer relativ Corona-konform geurlaubt - vielleicht mag ich es einfach auch generell nicht, mich in der Nähe von (hustenden und rotzenden) fremden Menschen aufzuhalten. Wir verbringen unsere Urlaube meist wandernd oder rundreisend allein mit uns im Auto mit vorwiegend Aufenthalten draußen. Riesige Hotelburgen mit Pool und Strand waren noch nie nach unserem Geschmack, Großstädte mal für ein paar Tage ok, aber kein muss. Gut Essen gehen wir zwar gerne, aber enge, überfüllte Restaurants, in denen man den Nachbarn quasi mit am Tisch sitzen hat, mag ich grundsätzlich nicht. Also war im Grunde kein komplettes Umdenken nötig, sondern nur eine Anpassung der Routenausarbeitung bzw. der möglichen Ziele, zum einen in Hinblick auf das, was uns möglichst sicher erscheint, zum anderen auf das, was den jeweiligen Ländern gerade sicher erscheint. Daraus bereiteten wir dann eine für alle Beteiligten möglichst gesunde Mischung zu, deren Bericht ihr die letzten 2 Wochen lesen konntet.
 
Unser Vorgehen bei der Planung konntet Ihr ja größtenteils vorab miterfolgen. Kurz zusammengefasst, es sollten  keine großen Städte dabei sein, gerne eher abgelegenere Hotels mit Restaurant, das wir nur nutzen wollten, wenn für sicher befunden. Erstaunlicherweise war das bei allen Hotelrestaurants bis auf eines der Fall. Die Abstände waren ähnlich, wie sie in Deutschland vorgeschrieben sind, nur Masken wurden in der Regel keine getragen. Unsere Strategie war, immer wenn möglich etwas Abseits, an zu öffnenden Fenstern, in der Nähe von Wänden, Raumteilern etc. zu sitzen, die eine gewisse Barrierewirkung haben. Gebucht haben wir unsere Hotels über Booking mit Hilfe der Kartenfunktion. Da wir nur wenig Zeit zur Planung hatten, sind wir einfach die Route entlanggegangen und haben uns in sinnvollen Abständen von 200-300 km Hotels ausgesucht, die uns gefielen. Machen wir meistens so, nur sonst ist die Route akribischer vorab geplant und der Suchradius bei den Zwischenstops dadurch kleiner. Hotels, die uns gefielen und auf Booking keine Kapazitäten oder keine Zimmer hatten, haben wir direkt über deren Homepage gebucht. In Schweden waren in den meisten Hotels ausreichend Kapazitäten vorhanden, Fehmarn und Dänemark waren sowohl auf Hin- als auch Rückreise rappelvoll. Wir haben dieses Mal verstärkt (wobei wir auch sonst nicht dazu neigen, Besenkammern zu buchen) auf größere Zimmer Wert gelegt, so dass man sich abends zum Essen oder anstelle von Bar-Besuchen auch bequem auf dem Zimmer aufhalten konnte.
 
Highlights bei den Hotels waren:
 
Kategorie Zimmer:
- Das Ekkerum Golf Resort, wo wir eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern, Balkon und extrem gut ausgestatteter Küche incl. Spülmaschine hatten.
- Die Minisuite im Hotel Södra Berget in Sundsvall mit eigener Sauna im Bad und riesigem Wohnzimmer mit großartiger Aussicht.

Kategorie Restaurant:
- The Lamp Hotel&Spa in Norrköping mit einer hervorragenden asiatischen Abendkarte und sehr gutem Frühstück, Restaurant war abends recht voll aber Abstände waren ok, im Sommer sehr schöner Außenbereich.
- Högbo Bruckshotel, obwohl abends nur Bistrobetrieb war, hervorragendes Essen, bestes Frühstück von allen, sehr viel Bioqualität, sehr viel Platz, den wir trotz unterbesetztem Service nutzen und etwas abseits sitzen konnten.
- Storhagna Hogfjall Hotel: Bot Halbpension mit Dreigängemenü am Abend an, das sehr gut war.
- Selma Spa: Sehr hochwertige kleine Karte, sehr gutes Covid-Konzept, einziges Hotel/Restaurant, in dem das Personal Masken trug. Zusätzlich im Sommer riesige Terasse für Restaurant und Bar auf 2 Etagen.

Wellnessbereiche:
Wir haben nicht in allen Hotels die Wellnessbereiche genutzt, die beiden größten und schönsten waren im Hotel Södra Berget mit grandioser Aussicht (selbst in der Sauna) und sehr vielen Außenpools und Frischluftzufuhr sowie im Selma Spa mit riesigem Innenpoolbereich, Saunen und zwei schönen kleinen, ausreichend warmen Außenpools. Auch der etwas kleinere Wellnessbereich im Hogfjall-Hotel war sehr schön. Abstände waren nie ein Problem, es wurde überall darauf hingewiesen und es war auch meistens nicht so voll, dass es problematisch gewesen wäre, die Abstände einzuhalten.

Corona Konzept:
Die meisten Restaurants haben mit Deutschland vergleichbare Abstände. In den meisten werden die Gäste noch zusätzlich so gesetzt, dass die Nachbartische nur mit wenig zeitlicher Überschneidung gleichzeitig belegt sind. In Skandinavien ist das Hauptaugenmerk auf Händedesinfektion, Desinfektionsspender stehen überall in rauhen Mengen zur Verfügung. In vielen Hotels sind an der Rezeption auch Trennwände zwischen Personal und Kunde vorhanden. Auch wenn Schweden oft als Negativbeispiel dargestellt wird, fühlten wir uns größtenteils mindestens so sicher wie in Deutschland. Den Hotels und Restaurants, auch dem Personal ist die Problematik durchaus bewusst, gerade die ältere Bevölkerung hat (aufgrund der unerfreulich hohen Todesrate in Schweden) durchaus gelernt, auf sich selbst aufzupassen und hält vorbildlicheren Abstand als in Deutschland. Man merkt auch, dass sich viele Hotels darauf eingestellt haben und wollen, dass der Kunde sich wohl und sicher fühlt. Beim Frühstücksbuffet wird es dann manchmal vergessen, aber wenn man ein bisschen auf sich selbst aufpasst und aktiv Abstand hält/Stoßzeiten meidet, kommt man recht gut und sicher durch. Was nicht üblich ist, ist das Tragen von Mund-Nasen Bedeckung, was für uns jetzt nicht wirklich von Bedeutung war, wir waren tagsüber eigentlich nur im Auto und draußen unterwegs, getankt haben wir nur an Automatentankstellen, eingekauft, da wo es leer und Platz zum Abstand halten war. Auch im Restaurant haben wir Abstand gehalten und am Tisch wird auch in Deutschland kein Schutz getragen. Absolut positiv fanden wir die allgegenwärtige Möglichkeit zur Kartenzahlung - ich glaube, ich hatte bei meinen drei bisherigen Schwedenbesuchen nie Bargeld in der Hand. Da ist Schweden ja schon vor Corona deutlich weiter als Deutschland gewesen. Eingekauft haben wir bei Coop, dort gibt es auch komplett automatisierte Scan- und Bezahlvorgänge ohne Sozialkontakte. Die Kartenleser sind überall bei Bezahlung automatisch aktiv, und man muss nicht einmal dazusagen, dass man mit Karte zahlt. Das führte dazu, dass frau gestern beim Tanken in Deutschland den Kassierer als Antwort auf die Frage "Bar oder Karte" erstmal völlig verstört angeschaut hat. Grundsätzlich scheint das Konzept mit der Eigenverantwortung ganz gut in der Bevölkerung anzukommen, natürlich gibt es immer (wie hier auch) diejenigen, denen jeglicher gesunder Menschenverstand abhanden gekommen ist. Grundsätzlich halten wir es hier wie dort mit "Wir passen lieber auf uns selbst auf, als es von anderen zu erwarten". Meistens fahren wir mit dem Konzept sehr gut und sind vorsichtig opimistisch, dass es auch dieses Mal und in Hinblick auf Corona gut gegangen ist und ausreichend war.

Natürlich ist beim Reisen nie alles eitel Sonnenschein. Dass wir mit dem Pernilla Wiberg Hotel sehr unzufrieden waren, hatte ich ja im entsprechenden Tagesbeitrag schon zu Genüge Kund getan. 
Im Hotelrestaurant im Hotel Södra Berget war das einzige Mal, wo wir auf die Bitte etwas Abseits zu sitzen und nicht direkt neben besetzten Tischen (die zudem auch ziemlich eng standen) belächelt wurden. Dort haben wir dann auch von einem zweiten Abendessen Abstand genommen. Im Frühstücksbereich hingegen war dort vorbildlich jeder 2. Tisch gesperrt. 
Wer in Schweden in Golf-Ressorts etwas Gediegenes erwartet, sollte wissen, dass die Haltung zu Golf hier etwas anders ist als in Deutschland, wir waren sehr überrascht über die Lautstärke und Partystimmung in der Anlage.

Was gibt es ansonsten noch zu erörtern?

Vielleicht ist das Thema "Rundreise mit dem eigenen Auto" noch ganz interessant. Auch hier, Vor- und Nachteile: Sehr angenehm ist natürlich, dass man von Anfang an alles so packen kann, wie man es braucht und haben möchte, und das lästige "Flugkonform-Packen" und "Wohnlich einrichten im Mietwagen" entfällt. Wanderschuhe und Klamotten konnten von vornherein griffbereit verstaut werden, Essen und Getränke für die Anreise und unterwegs in einer Kühlbox im Auto gelagert werden und sowohl bei Hin- als auch Rückreise musste man sich keine Gedanken machen, was man jetzt noch schnell aufbrauchen muss, weil es nicht mit ins Flugzeug darf. Vom Zeitfaktor war es jetzt in diesem Fall nicht wesentlich zeitaufwendiger als ein Langstreckenflug, natürlich ist hier der Fahrer (kurz: ich) in der Regel etwas eingespannter als bei einer Flugreise. Da ich aber gerne Auto fahre und mangels Beifahrerkompetenz meinerseits auch alle Rundreisen komplett selbst fahre, war das aber schon ok. Ob es kostenmäßig jetzt günstiger ist, einen Mietwagen zu zahlen, oder die laufenden Kosten für Verschleiß des eigenen Autos schwerer wiegen, habe ich mir verkniffen auszurechnen. Auf manchen Straßen ist es sicherlich angenehmer, mit einer "Don't be gentle, it's a rental"-Mentalität unterwegs zu sein, aber manchmal hat auch das eigene Auto, dessen Verhalten man in den meisten Lebenslagen schon kennt und zu schätzen weiß, Vorteile. Wir haben jedenfalls festgestellt, dass zur aktuellen Zeit eine (Rund-) Reise mit dem Auto eine gute Alternative zu beengten innereuropäischen Flügen ist. Tansatlantik, Neuseeland oder Asien steht zur Zeit ja ohnehin nicht zur Debatte. Ein Vorteil in der aktuellen Zeit ist sicherlich die größere Flexibilität. So konnten wir basierend auf den Reisewarnungen noch dreimal umplanen und hätten auch jederzeit unterwegs abbrechen oder woanders hinfahren können.
Die Übernachtung in Fehmarn würde ich mir zukünftig für den Weg nach Schweden oder Norwegen über Dänemark sparen und gleich noch etwa 100 km in Dänemark oder gar die Strecke bis Malmö (je nach Infektionslage) vor der ersten Zwischenübernachtung zurücklegen. Das sollte selbst bei viel Verkehr auf der A1 gut für den Hinweg machbar sein und man wird streckenmäßig etwas flexibler für den 2. Fahrtag (man merkt, in meinem Kopf rattern schon die Pläne, falls man nächstes Jahr wieder nach Skandinavien fahren "müsste").

Wir würden jedenfalls - so lange die Infektionszahlen nicht eskalieren und sich ein von der hausinternen Risk-Assessment-Abteilung für gut befundenes Ziel finden lässt - wieder so bzw. trotz Corona im angemessenen Rahmen weiterhin reisen. Wir sind im Nachhinein froh, dass wir weder in Deutschland geblieben noch im benachbarten südlichen Ausland unterwegs waren. Beides scheint gutinformierten Quellen zufolge aktuell sehr voll zu sein, und viele scheinen im Urlaub jegliche Vorsicht und Umsicht zu verlieren. Die Infektionszahlen für Österreich, die Schweiz und manche Regionen Süddeutschlands sprechen da auch eine klare Sprache. Von daher war für uns und unsere Art zu reisen der "Ach-so-böse"-Auslandsurlaub genau das richtige.

In diesem Sinne: Danke fürs lesen! Ich plane dann mal zukünftige Urlaube, für alle Eventualitäten und als Beschäftigungstherapie, um den Wahnsinn zwischen unseren Reisen weiterhin zu ertragen.

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