Dienstag, 8. September 2020

Rentiertag

Wir bedauern ein wenig, Storhogna schon verlassen zu müssen, hier könnte man einen längeren Wanderurlaub verbringen. Das tun gerade auch sehr viele Senioren im Hotel. Uns zieht es heute in den Songfjället-Nationalpark und dann weiter nach Idre, ins Pernilla Wiberg Hotel. Da ich ein wandelndes Lexikon des 80er-Jahre Sports bin, weiß ich natürlich, dass es sich bei Pernilla Wiberg um eine Skifahrerin handelt. Aber davor fahren wir zunächst etwa 45 min in den Nationalpark. Dort suchen wir uns eine Wanderung aus, die auch bei Ankunft zu Mittag noch gut machbar zu sein scheint. Die meisten Wanderungen sind 10 km aufwärts und mit absurden Gehzeiten von mehr als 5 Stunden angegeben. Eine führt mit etwa 4 km Strecke, knapp 300 Höhenmetern und einer erstaunlichen, angegebenen Gehzeit von 2-3 Stunden zum Lillfjället, einem kleinen Nebenberg des Hogfjället, den man in sttatlichen 6-8 Stunden besteigen könnte. 

Das verkneifen wir uns heute ausnahmsweise mal und entscheiden uns für den rechts im Foto zu sehenden Lillfjället. Ein bisschen Sorge bereiten uns die Warnschilder:


Es soll hier auch Bären und Wölfe geben, aber das Risiko scheint überschaubar. Wir machen uns auf den Weg bergauf zum Lillfjället, zunächst durch ein kleines, flach ansteigendes Birkenwäldchen.

bis zu einer Treppe (juhu!), mit der der steile Teil des Anstiegs beginnt.

Wir hecheln uns langsam mit einigen Verschnaufpausen Fotostops unterwegs.

Ziemlich sonnig ist es auch noch, dennoch sind es nur angenehme 15 Grad.

Blick auf den Lillfjället

Nach einer etwas abenteuerlichen Holzplanke

erreichen wir den Gipfel des Lillfjället , wo ich auch die Muße habe, die Spiegelreflex auszupacken. Bisher habe ich nur Handyfotos gemacht und war ansosten mit Schnaufen beschäftigt.




Allzu lange halten wir es hier oben jedoch nicht aus, es weht ein starker und eisiger Wind. Der Abstieg geht recht schnell und unten angekommen wundern wir uns, dass wir reine Gehzeit nur knapp eine Stunde gebraucht hatten, mit Schnaufen und Gucken waren es etwa 1,5 h. Die Strecke war laut App auch nur knapp 3 km und es waren etwa 250 Höhenmeter. Entweder, wir sind doch nicht so unfit, wie wir dachten, oder die Angaben in der Karte sind extrem großzügig.

Wir beschließen, da geht noch was und wir hängen noch die 2,5 km lange "Familienrunde" an. Diese geht idyllisch durch Birken- und Nadelwald, zunächst vorbei an Tiergehegen, wo im Sommer Ziegen und ähnliches gehalten werden. Diese sind allerdings schon in ihrem Winterquartier.

Auch hier haben wir unterwegs nochmal einen schönen Blick auf den Hogfjället.


Noch ist das Wetter recht sonnig. Der Weg ist ziemlich feucht und die Natur drumherum daher auch noch ziemlich grün. In höheren Lagen sieht es schon deutlich herbstlicher aus.

Auf ein paar wilde, gefährliche Kreaturen vom Warnschild treffen wir tatsächlich auch noch.
Zum Glück zeigen die friedlich grasenden Mütter keinerlei Interesse oder Unruhe, als wir vorbeigehen und so ist ein vorsichtiges Foto mit Zoom von den beiden interessiert schauenden Kälbern möglich. Danach stören wir aber auch nicht weiter und setzen unseren Weg fort, zumal es inzwischen ziemlich zugezogen hat. 

Die zweite Runde war ähnlich kurz, aber deutlich moderater bei den Höhenmetern. Am Auto angekommen ist es empfindlich kalt geworden und beginnt zu tröpfeln, daher verspeisen wir die heute morgen im Hotel gekaufte Zimtschnecke gemütlich im warmen Auto.

Sie war frisch und lecker, aber noch besser wäre sie gewesen, wenn sie nicht zusätzlich zum Zimt nach Kardamom geschmeckt hätte. Aber kennen wir ja schon aus Finnland und war jetzt auch nicht allzu tragisch. Wir haben noch gut 100 km Fahrt vor uns und machen uns daher auf die Reifen, noch nicht ahnend, dass uns noch ein paar erfreuliche Überraschungen bevorstehen. Nach etwa einer Stunde Fahrt wundere ich mich, wieso in einiger Entfernung auf der recht geraden Straße ein paar Leute mit hocherhobenen Armen orientierungslos umherlaufen. Ich bremse vorsichtshalber ab und nähere mich langsam. Wir stellen fest, dass es sich weder um Menschen, noch um hocherhobene Arme handelt, sondern endlich mal um heimisches "Wildlife": Mitten auf der Straße wuseln vier sichtlich erregte Rentiere, die es völlig aus der Fassung zu bringen scheint, dass um diese Zeit auf einer Hauptverkehrsstraße Autos kommen. Man einigt sich nach einiger leicht planlos wirkender Diskussion auf eine Seite zum Ausweichen, und im Vorbeilaufen gelingt sogar ein Schnappschuss mit dem Handy aus dem Seitenfenster.
Gut, Rentiere hätten wir jetzt auch, sie sind einfach knuffig, aber der Elch fehlt immernoch. Mittlerweile sind wir auf eine Nebenstraße abgebogen und die Landschaft wird zum einen schön herbstlich, zum anderen sieht sie aus wie ein Paradies für Elche. Auch die inzwischen recht späte Nachmittagsstunde und kaum Verkehr wecken Hoffnung, aber weder rumtrödeln und Ausschau halten, noch der Versuch, einen Elch herbeizureden, fruchten. Immerhin, als wir an einem großen Wild-Holzzaun vorbeikommen und ich erwähne, dass der aussieht, als sei er dazu gemacht um Elche aufzuhalten, sehen wir dahinter eine Bewegung. Praktischerweise ist in unmittelbarer Nähe eine Parkbucht und wir erkennen wieder Rentiere. Zwar keine Elche aber offenbar sehr große alte Exemplare mit riesigen Geweihen. Sie lassen sich nicht stören, der Wind steht günstig, also erstmal das Teleobjektiv auf die Kamera und dann ein Paar schöne "Kapitales Ren in Herbstwiese"-Aufnahmen gemacht.




Ein prächtiger Kerl, aber auch seine drei Begleiter sind nicht zu verachten und am Ende reicht es sogar noch für ein paar "Gruppenbilder mit Geweihen".


Wir sind beeindruckt und bummeln weiter entlang der kaum befahrenen Straße Richtung Idre. Alles Herbeireden und Flehen hilft jedoch nichts, der Elch bleibt uns verwehrt. Dafür sehen wir noch eine weitere Herde Rentiere etwas versteckt im Wald, sogar mit weißem Ren mit Kalb. Dem Gatten gelingt sogar ein Foto aus dem Autofenster von den beiden.

An den plötzlich neben der Straße stehenden Werbeplakaten für Skilifte, Skizubehör, Skipässe, Restaurants und was auch immer erkennen wir, dass wir jetzt wohl wieder in der (Wintersport-) Zivilisation angekommen sind. Hier ist es auch im Gegensatz zu Storhogna auch wieder angenehm leer. Man kann sich aber vorstellen, was auch hier zur Skisaison los ist. Wir erreichen das Pernilla Wiberg Hotel, das sich auch nur im Nebensaison-Notbetrieb befindet, aber dadurch problemlos wieder ebenso hohe Corona-Schutzstandards wie das vorherige Hotel einhalten kann. Frau Wiberg, die das Hotel wohl wirklich betreibt, hat auch überall ihre Spuren in Form von Pokalen, Trikots und Plakaten von Weltcups und Rennen hinterlassen. Wir haben eine schöne Suite mit Balkon und Wohnzimmer.

Natürlich hängen auch hier gerahmte Trikots an den Wänden. Interessanterweise von Nagano und Saalbach-Hinterglemm, obwohl die Suite "Albertville" heißt.
Auch der Blick vom Balkon ist recht idyllisch. Einen Nachteil gibt es allerdings, offenbar hat ausgerechnet das Bad mit der Whirlpool-Badewanne ein Geruchsproblem, es riecht nach einer Mischung aus Abfluss und Chemie, Nachspülen mit Wasser ändert nichts. Da es trotz Nebensaison keine freie Suite mehr gibt, entschließen wir uns, die Tür einfach fest geschlossen zu halten und das zweite Bad mit Dusche zu nutzen. Es gibt ja auch noch da Spa, also kann man wohl auf die Whirlpool-Wanne verzichten. Luxusprobleme vom feinsten. Wir gehen noch zum Abendessen in das mit großen Abständen versehene Hotelrestaurant. Die kleine Karte mit nur 3 Vorspeisen und Hauptgerichten führt zu einer sehr leckeren Krabbensuppe (gut, ich hätte es mit Kraftbrühe übersetzt aber egal, Krabbensuppe essen wir auch gern), die es wegen Hungers nicht auf ein Foto geschafft hat. Passend zum Tag (und weil uns die anderen Gerichte nicht so richtig zusagen bzw. wir auf die schnelle keine Übersetzung parat haben), gibt es für jeden noch einen Rentierburger.

Auf dem Balkon noch einen schönen Abendhimmel fotografiert, danach Blog und Bett.

Gelaufen sind wir also in Summe knapp 6 km, gefahren etwa 200 km.

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