Montag, 23. Mai 2022

Like Ice in The Sunshine - 24 Stunden Horrortrip

Wir beginnen den Tag guter Dinge in Amsterdam und freuen uns noch, dass ganz entgegen der aktuellen Berichte und Befürchtungen ausreichend Air Canada Check-In Schalter geöffnet sind, dass die Schlange um 8:30 noch überschaubar ist und sogar der Priority Check-In vorhanden ist und reibungslos funktioniert. Auch an der Security ist die Schlange relativ überschaubar und auch hier kommen wir in der Priority Lane innerhalb von 10 Minuten durch. Amsterdam arbeitet laut eigener Aussage inzwischen mit einem CT-Scanner für Handgepäck, was zwar etwas länger dauert als der sonst übliche Scan, dafür können sämtliche Elektrogeräte und Flüssigkeiten wieder im Gepäck verbleiben. Von Corona ist auch nicht mehr viel zu merken, die Maskenpflicht am gesamten Flughafen ist aufgehoben und auch die in den letzten zwei Jahren zur Gewohnheit gewordene, mitzuführende Gesundheitserklärung ist weggefallen. Masken werden vielleicht noch von einem Viertel der Passagiere getragen. Da wir uns nicht im Gedränge aufhalten und der Flughafen sehr gut belüftet ist, sparen wir uns das "Mondkapje" hier. Etwa eine Stunde nach Verlassen des Hotelzimmers sitzen wir bereits in der Lounge und frühstücken erstmal gemütlich mit Aussicht aufs Rollfeld.


Unser Flugzeug hat inbound bereits eine Stunde Verspätung, was auch für uns zum jetzigen Zeitpunkt bereits mindestens 30 Minuten Verspätung bedeutet. Hätten wir es nur mal dabei belassen...
Da die Boardingzeit in der Air Canada App, auf der Anzeigetafel und auf der Bordkarte unterschiedlich ist, finden wir es durchaus praktisch, dass wir direkten Ausblick auf unser Gate haben und uns daher einfach dann auf den Weg machen, wenn sich unsere Boeing 787-8 mit der Kennung C-GHQY am Gate materialisiert hat. Immerhin kann ich so auch die Einfahrt in einem Foto festhalten.
Unser Abflug (Air Canada hat übrigens noch Maskenpflicht an Bord) erfolgt letzendlich gut anderthalb Stunden verspätet um 13:53 statt um 12:15, dennoch sind Personal und wir guter Dinge, dass wir unseren Anschlussflug in Toronto erreichen werden. Unsere Umsteigezeit ist zwischenzeitlich von zwei auf eine Stunde geschrumpft, aber dennoch sollte das erfahrungsgemäß (und unter normalen Bedingungen) durchaus machbar sein. Im Hinterkopf habe ich immernoch die Wettervorhersage mit Gewitter für Toronto. Wir kennen es ja nicht anders. Auf dem Weg zur Rollbahn überkommt mich noch kurze Wiedersehensfreude beim Anblick des KLM A330 mit der Kennung PH-AKB, mit dem wir 2014 nach Vancouver geflogen sind.
Vor dem Anflug und Umstieg in Toronto steht noch ein bisschen Fotografie und Konsum von Flugzeugessen. Erstmal das obligatorische und gnadenlos optimistische "Sektchen vor blauem Himmel" Foto:
Als Vorspeise gibt es Räucherlachs auf Erbsenpüree, noch wohlbekannt von 2018. War lecker.

Bei der Wahl der Hauptspeise rät das Personal (übrigens das beste, netteste und humorvollste, dass wir jemals auf einem Flug erlebt haben) rigoros vom Rindfleisch aufgrund von ungenießbarer Zähigkeit ab. Also entscheide ich mich für den Fisch, um dann nur Sekunden später als gute Ehefrau dem Gatten (der eigentlich das Rindfleisch wollte) den letzten Fisch zu überlassen und stattdessen die Nudeln zu nehmen. Diese waren so fad, dass ich das bitter bereut habe, aber da ich sowieso nicht sonderlich hungrig bin, kann und muss ich wohl mit meiner Entscheidung leben.

Zum Nachtisch werde ich immerhin mit einem sehr leckeren Birnenkuchen entschädigt, der mich an den Birnenkuchen meiner Oma erinnert. Der Gatte nimmt noch den Käse dazu.
Bevor das Unheil weiter seinen Lauf nimmt, gönnt sich der Gatte einen Film und ich mir ein Nachmittagsschläfchen, das vermutlich im späteren Reiseverlauf lebensrettend sein wird. Nach etwa 2 Stunden wache ich von ordentlichen Turbulenzen auf. Laut Flugmonitor haben müssen wir ziemlichen Gegenwind haben, der Groundspeed beträgt zeitweise nur 750 km/h. Während der Gatte brav fürs Foto auch den zweiten Snack konsumiert, lehnt mein ohnehin die letzten Tage ein wenig angeschlagener Magen weiteren Nahrungskonsum rigoros ab.
Mittlerweile sind die Turbulenzen über dem kanadischen Festland ziemlich heftig geworden, es gibt einige doch erstaunliche Absacker, die mich zwar nicht beunruhigen, mir aber doch sehr auf meinen angeschlagenen Magen schlagen. Ab diesem Moment endet die fotografische Dokumentation des desaströsen Fortgang des Tages, da ich beim Landeanflug leider die Hände mit einer Kotztüte statt Kamera beschäftigt habe. Danach wird es zusätzlich zu meiner Übelkeit noch etwas stressig, da wir letztendlich erst um 15:23 Ortstzeit landen, was in etwa unserer Boardingzeit des Weiterfluges entspricht. Ich bin gerade nicht wirklich in der Lage, mich zu beeilen, es wäre aber auch sowieso fruchtlos, da an der sonst so entspannten Einreisekontrolle für Umsteigeflüge eine riesige Schlange ist. Diesmal akzeptieren zwar im Gegensatz zu Montreal die Automaten unsere Pässe, das hilft uns aber auch nicht, da wir ja dennoch kurz beim Officer vorbei müssen und nur drei Plätze besetzt sind. Da hilft auch nicht mehr, dass der Officer die Einreise schnell und effizient abarbeitet und uns netterweise auch mit zwei grünen Stickern auf dem Pass vom zufälligen Coronatest befreit. 
Am Gate angekommen werden wir schon mit einem freundlichen "Ich habe zwei neue Bordkarten für sie." begrüßt. Wir sind auf den Flug um 20:20 umgebucht, der dann um 1 Uhr Ortszeit in St. John's ankommen soll. Ich schwanke (auch im wörtlichen Sinne dank der weiter vorhandenen Übelkeit vom wackeligen Anflug) zwischen Freude über die Pause oder Entsetzen über die Ankunftzeit, die 5:30 deutscher Zeit entspräche. Wir verkrümeln uns in die Lounge und ich stelle im Rahmen einer inzwischen seit dem Anflug auf Toronto laufenden Selbststudie mit drei Reisekaugummis in Folge (wie in der Packungsbeilage empfohlen) fest, dass jedes der drei Kaugummis gegen Reiseübelkeit bei mir ziemlich genau das Gegenteil bewirkt. Damit beende ich die Studie resigniert und verbringe den restlichen Spätnachmittag und frühen Abend mit dem Konsum von Kamillentee und trockenen Naan. Zwischenzeitlich hat sich unsere Abflugzeit genau wie das Gate mehrfach verschoben, den letzten Gatewechsel erleben wir sogar live am Gate mit, da wir guter Hoffnung waren, dass das Boarding um 21:20 Bestand hat. Auch das erwies sich als Irrtum, letztendlich war die Abflugzeit 23 Uhr. Als "Fun Fact" erfahren wir am Gate von einem Deutschen, der aus Frankfurt angereist ist, dass wir noch Glück im Unglück hatten. Die Air Canada Maschine aus Frankfurt, die etwas früher landen sollte, musste wegen der starken Gewitter (die bei uns wohl für die Turbulenzen unterwegs verantwortlich waren) in Ottawa zum Tanken zwischenlanden. Die armen Passagiere saßen am Ende wohl incl. Flugverspätung und unfreiwilligem Zwischenstop 14 Stunden statt knapp 8 im Flugzeug. Wir fühlen uns geringfügig besser, was sich bei mir allerdings beim Start wieder schlagartig ändert. Mein Magen beschließt, heute höchst allergisch auf Steig- und Sinkflug zu reagieren. Dazwischen kann ich immerhin ein wenig schlafen. Die Maschine war eine 737 Max 8 mit der Kennung C-GEOJ, weitere Dokumentationen habe ich verständlicherweise keine.
Um 3 Uhr Ortszeit kommen wir tatsächlich lebend in St. John's an (mein zwischenzeitlicher Zustand ließ mich daran zweifeln. In die Max steige ich inzwischen trotz der Abstürze wieder sehr entspannt ein, nachdem die Piloten jetzt auch ordentlich auf den Borcomputer geschult sind und nicht mehr über dessen Funktion von Boeing im unklaren gelassen wurden.) 
Als ob das nicht schon genug Stress gewesen wäre, kommen von unseren drei Gepäckstücken nur zwei in St. John's an, zum "Glück" fehlt aber nur unsere Schuhtasche. Personal ist außer einem Security-Menschen um diese Uhrzeit natürlich nicht mehr vor Ort. Uns wird empfohlen, morgen eine Verlustanzeige beim Air Canada Personal zu machen. Wie gut, dass wir morgen um 10 sowieso hier den Mietwagen abholen werden. Um 4:30 Ortszeit (entsprechend 9 Uhr deutscher Zeit) liegen wir nach 26 Stunden im mehr oder minder Wachzustand endlich für 5 Stunden im Bett. 
Morgen wird alles besser. 
Bestimmt.

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