Samstag, 5. Oktober 2024

Manchmal liegt das Gute nah - eindrucksvolle Wanderung im Hohen Venn

Anfang des Jahres waren wir ja zum ersten Mal im Hohen Venn, damals zum Bewundern der Winterlandschaft. Als ich damals auf der Suche nach einer wintertauglichen Wanderroute war, war ich schon der Meinung, dass die Gegend generell schön zum Wandern zu sein scheint und dass man dort auch ohne Schnee mal gut wandern könnte. Was bietet sich da besser an, als ein freier Brückenfreitag im Oktober, an dem der Gatte zufällig auch Urlaub hat und das Wetter auch noch passt. Herbstwandern finde ich ja sowieso besonders reizvoll. Wie es der Zufall will, beginnt die heutige Route genau da, wo unser Winterausflug geendet hat:
Links im Baum kann man eine kleine Kappelle erahnen ...
...und hinter dem Zaun verläuft ein Weg.
Genau an dieser Kapelle, der Kapelle Fischbach am Parkplatz der "Baraque Michel", beginnt unsere heute sehr ausgiebige Herbstwanderung. Wie immer natürlich erst gegen Mittag, wenn wir in Ruhe gefrühstückt haben und stressfrei angereist sind.
Aufgrund der Länge der Gehstrecke blieb die Kamera heute zu Hause, man kann auch mit Handyfotos opulent bebildern. Vielleicht nicht ganz so qualitativ hochwertig, aber was soll's. Die Wander-App führt uns zunächst knapp 6 km geradeaus durch ein Moorgebiet und später durch Wald.
Hier gibt es einige schöne Motive.
Ob dies wohl die Steigerung meines geliebten Zierkohls ist? Zierpetersilie in herbstlichem Gewand? Die Pflanzen-Bestimmungsapp ist sich recht sicher, dass es sich um einen Storchschnabel, eine Geranie  handelt. Könnte hinkommen.
Der Weg ist bisher nicht allzu spektakulär, aber bietet schöne An- und Aussichten. Verlassen sollte man ihn tunlichst nicht, drumherum ist ein von kleinen Bächen durchflossenes Moor.
Nach kurzer Wegstrecke finden wir rechts des Weges einen Aussichtsturm, den wir natürlich zuerst einmal besteigen müssen. Hier stellvertretend ein Symbolfoto des Gatten.
Die Aussicht ist dann im Grunde auch nicht spektakulärer, als am restlichen Weg. Man könnte hier sicherlich auch den Tag mit Tierbeobachtungen verbringen, aber nicht ohne Teleobjektiv. Und schließlich sind wir ja heute zum Wandern hier... und zum schöne Bäume im Moor fotografieren, beschließe ich spontan.
Nach etwa drei Kilometern geht der Weg in einen Forstweg über.
Ziemlich feucht ist es trotzdem.
Zum Glück sind an einigen Stellen kleine Brücken und Plankenwege verbaut, es könnten allerdings auch noch gerne ein paar mehr sein, vor allem später auf dem Rückweg. Aber dazu kommen wir dann auch erst später.


An dem kleinen Spinnenetz voller Wassertropfen kann ich natürlich nicht vorbeigehen,
... genausowenig wie an diesem schönen Pilz im Moos.
Der Fingerhut muss auch noch mit. Man sieht jetzt schon, auch ohne Kamera kann ich die Gehzeit durch Fotografieren ins Unermessliche verlängern. Naja wir haben ja heute quasi Urlaub.
Kurz darauf begeistert mich dann noch dieser Baummstamm mit Moos- und Pilzbewuchs.
Es geht weiter durch den feuchten Wald, wir laufen inzwischen schon sehr lange gerade aus, noch dazu geht es jetzt etwa 300 Höhenmeter bergab. Überflüssig zu erwähnen, dass wir diese auch am Ende der Wanderung an anderer Stelle wieder hoch müssen. Was soll's, in den Dolomiten hatten wir deutlich mehr Höhenmeter.
Nach den vorhergesagten 6 km geradeaus erreichen wir eine schöne Holzbrücke, die auch aus einer Tolkien-Verfilmung stammen könnte.

Diese queren wir allerdings nicht, sondern biegen laut Karte unmittelbar davor am Bach entlang rechts ab.
Warum ich "laut Karte" oben extra ewähne? Weil die Realität hier ein wenig anders aussieht. Am Abzweig hängt ein Schild, dass der Weg wegen Überflutung nicht mehr begehbar ist und es eine Umleitung gibt. Da es sich nur um einen kurzen Wegabschnitt handelt, müssen wir uns - neugierig wie wir sind - die Überflutung erstmal anschauen. Ich bin ja quasi hydrologisches Fachpublikum, und wir werden nicht enttäuscht: Die durchaus überzeugende Überflutung haben wir einer ausgiebigen Biber-Bautätigkeit zu verdanken. Wir sind fasziniert, was die Tiere so "anrichten":
Schon beeindruckend, was die Tierchen alles so "wegknabbern". Muss natürlich auch dokumentiert werden.


Die Umleitung führt uns wieder ein paar hundert Meter zurück zum letzten Abzweig und beschert uns, nach einem unspektakulären Stück Wirtschaftsweg, erstmal einen steilen Abstieg durch den Wald (im Nachgang von unten fotografiert).
Wir treffen wieder auf den Bach, dem wir eigentlich hätten bereits seit etwa 500 m folgen sollen, aber dank der biberlichen Bautätigkeiten nicht konnten.
Natürlich müssen wir die Bautätigkeit auch noch von der anderen Seite begutachten. Im Hintergrund kann man einen beeindruckenden Damm erkennen. Das war uns durchaus in Summe ein Kilometer Umweg wert - über die Verlängerung der Gehzeit reden wir mal nicht, das holen wir auf dem Rückweg  sicher alles wieder auf.
Ab hier wird der Weg jetzt so richtig reizvoll, wir wandern einen schmalen, felsigen Pfad am Bach entlang. Das führt natürlich zu einigen Fotostops.
Immer wieder sehen wir Stromschnellen und hübsche kleine Wasserfälle.
Man fühlt sich wieder fast ein bisschen wie beim Bergwandern.


Ein bisschen Herbst hat auch schon Einzug gehalten, insgesamt ist es aber noch ziemlich grün.
Natürlich muss auch ab und an ein Pilz im Moos fotografiert werden.
Es ist so schön bemoost-felsig hier. Wir sind wirklich begeistert. Natürlich gibt es dadurch nicht weniger Fotostops.

Ein Wasserfall folgt dem nächsten,
... größere und kleinere.
Der Bachlauf verändert sich ständig. Also noch mehr Fotos, wir haben ja massig Zeit. Der Tisch fürs danach vermutlich wohlverdiente Abendessen in der Dorfkneipe ist auch in weiser Voraussicht erst für 19:30 reserviert.
Stellenweise ist immer wieder mal ein bisschen Herbst zu erahnen.
Der Weg ist weiterhin erstaunlich felsig und anspruchsvoll, uns macht es Spaß.
Immer wieder queren wir auf schalen Brücken den Bach und laufen mal rechts und mal links weiter.
Wieder ein paar schöne Stromschnellen. Das Wasser hier scheint sehr eisenhaltig zu sein.
Eine der Brücken nutzen wir für eine kleine Fotosesion. Ist ja nicht so, als hätten wir bisher schon massig Zeit mit Fotos verplempert.
Der Gatte entdeckt ein paar interessante Pilze, die wie phallischer Spargel aussehen.
Zwischenzeitlich ist kilometermäßig in etwa Halbzeit angesagt (den Umweg zum Biberbauwerk haben wir schon obendraufgeschlagen). Auch die Uhrzeit lädt zur berühmten schwedischen "Fika" ein, der mitgebrachte Zwetschgenstreusel und die idyllische Aussicht auf den Bach umso mehr. Der Reiseelch rät, Fotos beim Kuchenessen immer mit Weitwinkel aufzunehmen, dieser lässt einen schlanker und umso kuchenbedürftiger wirken. Er hats einfach drauf, der Reiseelch.
Wir genießen unseren Kuchen und unseren idyllischen Rastplatz nicht allzu lange, schließlich haben wir noch einen ordentlichen Weg vor uns.
Immer wieder werden wir duch die idyllische Natur aufgehalten, hier mal ein kleiner Kaskadenwasserfall.
Auch hier kann man gut die rötliche Färbung der Steine und des Wassers erkennen. Etwas mehr Herbstlaub hätte es noch schöner gemacht.
Nachdem wir uns schon seit kurz nach unserer Fika über eher weniger "bewandert" aussehende Menschen gewundert haben, erreichen wir jetzt ein großes Restaurant mit Parkplatz, von dem man offenbar direkt zum Wanderweg am Bach gelangen kann. Fun Fact: Hier gibt es tatsächlich eine kleine Furt an der Parkplatzzufahrt.
Ab hier geht es bergauf, zumindest der Weg, bei uns ist die Stimmung schon die ganze Zeit konstant gut. Auch im Wald sind immer wieder kleine, oft auch irgendwo herabfallende Gewässer zu sehen. Wir hatten uns jetzt eigentlich auf einen eher unspektakulären, zügigen Rückweg durch den Wald eingestellt, aber wir werden sehen.
Zunächst öffnet sich der Wald und wir laufen ein kurzes Stück mit Weitsicht an bewirtschafteten Wiesen und Kuhweiden entlang.
Auch hier kann man schöne Bäume fotografieren. Trotz der herbstlichen Eberesche ist es in der Sonne inzwischen angenehm warm.
Kurz darauf begeben wir uns wieder in den Wald und treffen auf das nächste kleine Gewässer mit Brücke.
Wer hätte es gedacht, auch hier gibt es wieder kleine Wasserfälle.
Dann wird es landschaftlich auch nochmal richtig spektakulär. Keine Ahnung, wer diese prächtige Felswand jetzt hier hin gestellt hat, ich muss sie jedenfalls fotografieren.
Offenbar leben hier auch Uhus, einen aus Holz geschnitzten "Symbol-Uhu" kann man sogar in der Felswand sehen.
Wohl wissend, dass der Weg laut Höhenprofil jetzt 300 m bergauf führt, schaut frau nicht ganz so genau auf die Karte und schlägt ambitioniert den Pfad, der entlang der Felswand nach oben führt, ein.
Irgendwann fällt mir  auf, dass die Anzeige der "abgearbeiteten Höhenmeter" auf der Navigationsuhr trotz steilen Anstiegs nicht weiter abnimmt. Ich werde misstrauisch und konsultiere die Kartenansicht. Unser Verdacht wird bestätigt, wir hätten weiter dem Weg am Bach entlang folgen müssen, auch wenn die bisher verfolgte Wegmarkierung hier hoch geführt hat. Naja, wenigstens haben wir die spektakuläre Felswand erklommen und noch einen tollen Fotospot gefunden.


Also schnell wieder zum Bach runter gestiegen, die Höhenmeter zählen ja dann auch gar nicht. Karte und Weg sind jetzt wieder im Einklang, und wir beschließen schonmal im Stillen, vor Heimfahrt unsere Tischreservierung von 19:30 auf 20 Uhr zu verschieben.
Der Weg bleibt weiterhin anspruchsvoll, nur dass er jetzt noch zusätzlich bergauf geht. Auch das kleine Gewässer bleibt malerisch, so dass wir definitiv nicht so schnell wie geplant vorankommen. Aber es ist ja schön hier, was soll's, wir hatten ja Kuchen und noch ist ja Sommerzeit, da ist die inzwischen von der Uhr kalkulierte Ankunftszeit am Parkplatz von 18:15 jetzt auch nicht allzu problematisch. (Wenn man davon absieht, dass wir noch über eine Stunde nach Hause und zum reservierten Abendessen fahren müssen.)


Irgendwann lichtet sich der Wald und wir folgen dem Bach weiter durch feuchte Wiesen.
Am nächsten Abzweig der Kulturschock, wir treffen auf eine Asphaltstraße. Sowas sind wir ja gar nicht mehr gewohnt. Leider folgen wir dieser jetzt auch für knapp 2 Kilometer geradeaus. Nicht unbedingt das angenehmste, wenn man schon fast 20 km in den Beinen hat, aber immerhin kommt das unserem geplanten Endspurt schon recht nahe.
Die herbstliche Abendsonne steht uns wärmend im Rücken und so kann man mal ein etwas anderes Wander-Selfie schießen.
Der Endspurt findet ein jähes Ende, als der Weg nach der Abzweigung noch gut zwei Kilometer nicht wirklich befestigt durch den Sumpf führt. Von diesem Abschnitt gibt es dann auch keine Fotodokummentation; ich bin damit bechäftigt, einen halbwegs trockenen Weg zu finden, wo man möglichst nicht mehr als knöcheltief im Morast versinkt, während der Gatte damit beschäftigt ist, irrsinnig kichernd dicht am Rande des Wahnsinns von einer von mir ausgesuchten trockenen Trittstelle zur nächsten zu hüpfen. Grenzerfahrungen am Ende der Wanderung sind immer  wieder ein echtes Highlight. Vermutlich wäre es sinnvoller gewesen, schon eine Abzweigung früher durch den Wald zurückzugehen, aber wir sind brav unserer Karte gefolgt. Für den letzten Kilometer treffen wir dann nochmal auf den Weg vom Anfang, hier ist dann auch Untergrund und Luft für einen kleinen, endgültigen Endspurt. Doch ein wenig müde erreichen wir nach unerklärlichen aber gut dokumentierten insgesamt 23 km den Parkplatz pünktlich um 18:30. Da haben wir wohl doch noch ein bischen Zeit im Sumpf versinken lassen. Gerade auf diesem Streckenabschnitt habe ich die Anschaffung einer Naviationsuhr doch heftigst gefeiert, so hatte man immer die Sicherheit, dass man noch auf dem richtigen Weg war, während man selbigen (bzw. halbwegs sichere Trittstellen) im Sumpf gesucht hat. Das Handy mit Karte hätte ich hier weder dauerhaft in der Hand haben, noch ständig aus der Tasche kramen wollen. Auch geht eine Uhr unter normalen Umständen im Sumpf nur dann verloren, wenn man mit ihr gemeinsam versinkt, das Handy ist da schneller mal aus der Hand gefallen.
Am Parkplatz werden wir (nicht) von drei Schottischen Hochlandrindern begrüßt, diese sind zu sehr mit ihrem Abendessen beschäftigt. Da wollen wir jetzt auch zügig hin, der Gatte gibt telefonisch Bescheid, dass wir uns verspäten.
Ich dokumentiere noch die sumpfigen Wanderschuhe im schönen Abendlicht, die doch von einigen Fehltritten beim Auskundschaften des Weges berichten können. Die Schuhe des Gatten sind dagegen fast erstaunlich sauber und daher nicht dokumentiert.
Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt machen wir uns erstaunlich blitzartig frisch und begeben uns (leicht leidend) zu Fuß zur Dorfkneipe. Für die Lebensgeister und den Elektrolythaushalt gibt es erstmal eine überbackene Zwiebelsuppe. Der Flüssigkeitshaushalt wird noch dazu mit "kölschem Kulturgut" aufgefüllt.
Danach gibt es das, wozu wir eigentlich hergekommen sind und auf was wir uns schon seit einigen Stunden gefreut haben: Ronnys perfekt gebratenes Rindersteak. Hier meine Variante mit Champignons und Zwiebeln, damit sich die Zwiebeln aus der Suppe im Bauch nicht so einsam fühlen. Das Steak mit Sauce Bernaise des Gatten habe ich (vermutlich aus Gründen) nicht fotografiert. Auch nach über 15 Jahren Ehe fehlt mir einfach das Verständnis, wie man ein ohnehin schon totes Stück Rind noch einmal mit dieser Sauce töten muss. Naja, auch Toleranz in einer Ehe ist wichtig, aber auch ich muss nicht alles fotografisch dokumentieren.
In Hinblick auf die Wanderung bleibt das Fazit: Wunderschön, aber auch durchaus herausfordernd. Feuchter hätte es nicht sein dürfen, der ganze Weg war recht schlammig, der Sumpf am Ende hat alles übertroffen. Hier besser den Waldweg vorher einschlagen. Wie wir es jetzt mit nur zwei kleinen Umwegen schon wieder geschafft haben, die geplanten 19,6 km Wegstrecke auf 23,5 km aufzublähen, bleibt wohl ein unergründliches Geheimnis.

2 Kommentare:

  1. Wieder ein schöner Bericht über eine spannende Gegend - und so nah.
    Und auch die Fotos sind prima. Danke.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wieder mal Danke fürs Lesen und kommentieren 🙂

      Löschen

Vielen Dank fürs Lesen und Deinen Kommentar!