Ich muss es mir mal von der Seele schreiben, es ist jedesmal ein
Erlebnis, heute war es wieder mal eines der Allerbärtigsten Art...
... ein Tierarztbesuch der bärtigsten Art
Prolog:
Grund
des Besuchs war, wie jeden Herbst, der berüchtigte "Ich hab mir da was
eingetreten, weil ich ja ständig durch irgendwelche Dornen trampele,
ohne Rücksicht auf Verluste" Besuch. Unser Bärtigster schafft es also
jedes Jahr, im Laufe des Spätsommers, sich etwas einzutreten, ich
vermute, einen Dorn, um dann, pünktlich im Oktober oder spätestens
November einen feinen Abszess zwischen den Zehen irgendeiner beliebigen
Pfote zu bekommen. So auch dieses Jahr wieder vor zwei Wochen.
Normalerweise gehen wir dann gar nicht mehr zum Tierarzt, weil wir
inzwischn Erfahrung im selbst behandeln haben. Diesmal hatte ich aber
eine andere Jodlösung zum draufträufeln, statt zum Baden wie sonst, und
damit heilte es wohl zu schnell zu. Fazit: was zu schnell zuheilt ist
nicht ausreichend leer und kommt wieder. Da die wieder aufgetauchte
Beule nicht nur ziemlich dick war, sondern auch keine Anstalten machte,
aufzugehen, war heute morgen ein Tierarztbesuch angezeigt.
So
nahm das Drama also seinen Lauf, Mutti fährt mit Bert zum Tierarzt,
Bert bricht schon beim Einfahren in die Straße zum Tierarzt in
Freudengebell in den höchsten Tönen aus. Die verwirrten Blicke zu meinem
bellenden Kleinwagen ignoriere ich inzwischen gekonnt.
Akt 1: Das Wartezimmer
Mutti
geht erstmal zur Anmeldung und lässt den Allerbärtigsten, sehr zu
seinem Leidwesen im Auto warten. Sonst versteht man nämlich an der
Anmeldung sein eigenes Wort nicht mehr, da Bert meint, es reicht, sich
mit lautem, fröhlichen Bellen anzumelden.
Nach
Anmeldung der vorsichtige Blick ins Wartezimmer: fast leer, bis auf
einen anderen Hund. Also kann man es riskieren, den singenden klingenden
Bärtigen in die heiligen Hallen einzulassen. Wenn es zu voll ist,
warten wir lieber im Auto. Aber heute hat Bert Glück (oder ich Pech ;) )
und wir gehen also hinein. Der einzige Anwesende andere Hund rastet
erstmal dezent bellend und knurrend aus, was der Allerbärtigste gekonnt
erhaben ignoriert. Erstaunlich, das tut er sonst nirgends. Wir ziehen
uns also in die andere Ecke des Wartezimmers zurück und der
Allerbärtigste nutzt die Zeit, bei mir seine wohlverdiente
Kuscheleinheit einzufordern. Jedesmal, wenn jemand das Wartezimmer
betritt wird aufgesprungen und alle Register des bärtigen Flirtens
gezogen. Heute hat es besonders gut funktioniert, eine Katzenbesitzerin
parkt Ihre Katze samt Box neben sich und widmet sich dann mit der
Aussage "meine Katze will eh nix von mir wissen gerade" mit all Ihrer
Liebe und Zuneigung dem Allerbärtigsten. Hat er ja auch verdient, findet
er. Ab und an muss ich den Herrn davon abhalten, der Dame auf den Schoß
zu klettern, aber sie wollte es ja so und unterhält und kuschelt ihn,
wie es sich einem Allerbärtigsten geziemt. Kein Wunder, dass Herr Bert
Tierarztbesuche nur allzu positiv verknüpft. Das Schauspiel wird nur
zweimal kurz durch das Öffnen der Tür zu den Sprechzimmern unterbrochen,
da wirft Herr Bert sich nämlich SOFORT mit hoffnungsvollem Blick zur
Tür in seine schönste Pose (Wenn er reden könnte, würde er "HIER ICH
ICH!" schreien) um dann einen empörten Beller abzulassen, wenn er nicht
an die Reihe kommt. Aber alles halb so wild, man kann sich ja dann
wieder seinem neuen willigen Streichelopfer zuwenden. Mittlerweile ist
die Dame so verliebt dass sie unseren Wartezimmerpromi um ein Foto
bittet und es gnädigerweise zwischen zwei fröhlichen WUFFs auch
gestattet bekommt. Doch dann kommt der große Moment, der Allerbärtigste
wird aufgerufen und ins Sprechzimmer geleitet.
Akt 2: Der lange Weg zum Sprechzimmer
Sobald
Herr Bert registriert, dass ER höchstselbst aufgerufen wird (erkennt er
daran, dass die dröge alte Spaßbremse sich endlich erhebt) SCHIESST ein
frohlockender, hüpfender Bert unaufhaltsam, wäre da nicht dieser über
70 kg schwere Bremsklotz am anderen Ende der Leine ohne Rücksicht auf
Verluste quer durchs Wartezimmer zur Tür, begrüßt die zuständige
Helferin mit einem freudigen "Das wurd jetzt aber auch
Zeit"-Rotzgeräusch und rennt sie fast über den Haufen. Wenn es, wie
heute, eine mir unbekannte Dame ist, stets kommentiert von "Er ist
verrückt, aber harmlos."
Akt 3: Kurzes Warten im Sprechzimmer Audienzzimer
Puh.
Endlich wieder kurz allein. Mutti muss sich erstmal sammeln, Bert
richtet sich derweil gemütlich in seinem Audienzzimmer ein und harrt der
Untertanen, die heute zur Huldigung bereit sind. Wir erinnern uns kurz
(eigentlich nur ich), warum wir heute hier sind, und ich beschließe, den
Bert schonmal vorzubereiten, und Schuh und Socke, die als Pfotenschutz
dienen, abzunehmen, bevor der nächste Freudentanz beim Eintreten des
Tierarztes beginnt. Ich entledige den Bert also seines Pfotenschutzes
und stelle mit Freuden fest, der vor einer Stunde noch vollkommen
verschlossene Abszess hat sich zwischenzeitlich von selbst eröffnet
(nunja, deshalb sind wir ja auch hier, aber eigentlich sollte da noch
ein Tierarzt ran....). Naja, wo wir schonmal da sind, kann der Doc ja
trotzdem draufgucken, ob er irgend einen Auslöser darin findet und ob
die Strategie eine Woche in Jodlösung baden auch in diesem Fall die
richtige ist. Wir warten also weiter, zwischenzeitlich kommt immer mal
wieder eine nette Tierarzthelferin rein, holt und bringt Dinge und ganz
wichtig: Huldigt dem Allerbrätigsten, schließlich ist das ja der Sinn
eines solchen Audienzzimmers.
Akt 4: Der Tierarzt
Juhu,
heute haben wir einen Lauf und Billys Lieblingsdoc hat Sprechstunde (er
liebt sie alle, aber bei den beiden habe ich den Eindruck, sie
verbindet inzwischen irgendwie eine innige Männerfreundschaft). Wie
immer führen die beiden eines ihrer seltsamen, mir vollkommen
unverständlichen Begrüßungsrituale auf. Mal krabbelt Bert dem Doc auf
den Schoß und leckt ihm freudig durchs Gesicht, mal steckt man ihm den
Kopf zwischen die Knie und lässt sich seelig grunzend durchknuddeln.
Heute erreicht das Ritual neue Dimensionen, man reckt vor dem Tierarzt
die Nase in die Luft und freut sich wie ein kleiner König
(AUDIENZZIMMER!!!), wenn der Doc ihm mal eben herzhaft die dicke braune
Ledernase durchknetet. Naja, jedem das seine, denke ich mir und werde
zwischenzeitlich auch mal begrüßt. Man will die Herrschaften ja nicht
stören. Nach kurzer Schilderung des Problems kommt der unangenehme Teil
für den Bärtigen, man hebt ihn ganz unwürdig unter lautem Gemaule auf
den Tisch und legt ihm sicherheitshalber einen Maulkorb an und popelt in
seiner Pfote rum. Der Allerbärtigste kommentiert diese unwürdige Behandlung mit bedrohlichen Urlauten, lässt sie aber ansonsten würdigst
über sich ergehen. Der Doc findet wie immer nichts in der Pfote, aber
wenigstens ist der Abszess jetzt gut offen. Er empfiehlt die üblichen
einwöchigen Jodbäder und dann sollte es wie immer abgeheilt sein, sonst
müssen wir weitersuchen. Bisher gings aber immer gut. Zwischenzeitlich
wird der alte Knurrhahn vom Tisch gehoben und vom Maulkorb befreit und
holt sich seine wohlverdienten Kuscheleinheiten beim Tierarzt ab. Kann
der arme Doc ja nix für, wenn Mutti ihn zwingt so fiese Dinge an Berts
Pfote zu machen. Beim Schuh anziehen tanzt der Bert dann wieder so
fröhlich durchs Sprechzimmer, dass er sich noch unter Publikumswirksamem
aufjaulen das Bein verdreht und danach hat der alte Herr auch schon
keine Zeit mehr für Geplänkel und hüpft fröhlich bellend Richtung
Ausgang, während ich mich quasi im Vorbeiflug noch vom Tierarzt
verabschiede.
Akt 5: Der Abgang
Auf
dem Weg zum Auto schafft man es noch, sich schnell trotz fröhlichen
Hüpfens und Bellens im vorbeigehen ein paar bedauerende Worte und
Genesungswünsche ob des Pfotenschutzes abzuholen, und schwupps gehts
schon wieder ins Auto. Dort macht man es sich erstmal gemütlich und
erholt sich von dem anstrengenden Audienztermin, während Mutti die
Rechnung für die ganzen zum Wohlgefallen des Allerbärtigsten gekauften
Schauspieler entrichten geht. Auf der Heimfahrt verfällt der total
geschaffte Allerbärtige in Tiefschlaf, nur um pünktlich beim EInfahren
in unsere Straße wie von der Tarantel aufzuspringen und in fröhliches
"Sehet, der Allerbärtigste kehrt heim!"- Gebell auszubrechen.
Epilog: Die Heimkehr
Der
schlagartig erwachte, immer noch fröhlich bellende Allerbärtigste
entsteigt dem Auto und hat (eben noch fix und fertig) genau zwei
Wünsche: Gassi und Essen. Ich bin mal wieder der Buhmann und bringe ihm
mehr oder minder schonend bei, dass ich noch einen Nebenjob habe, um
sein Futter zu verdienen, und daher jetzt erstmal wieder nach drinnen an
die Arbeit muss. Zum dank pinkelt der Herr mir in den Vorgarten, als
wäre er drei Tage lang nicht mehr Gassi gewesen. Nach freundlichem
Bitten begibt der Allerbärtigste sich nach drin und verlangt nach Essen.
Das gewähre ich ihm, im Austausch gegen ein Stündchen ungestörte
Arbeitszeit.
Inzwischen habe ich Feierabend und bin
müde. Der Bert jammert, weil er endlich zum Gassi will. Nachher ist er
dann wieder beleidigt, weil es zwecks Schonung nur eine kurze Runde
gibt.
Danke fürs Zuhören.
Hallo Shauri, auch wenn ich mich aus dem Forum inzwischen komplett zurückgezogen habe, deine Seite lese ich wenn auch in unregelmäßigen Abständen immer noch. Es ist einfach herrlich geschrieben. Bitte nicht aufhören und euch weiterhin alles Gute.
AntwortenLöschenJan mit seiner Susi