Montag, 12. November 2018

Heute aus aktuellem Anlass mal "Dogs" statt "Travel"

Ich muss es mir mal von der Seele schreiben, es ist jedesmal ein Erlebnis, heute war es wieder mal eines der Allerbärtigsten Art...

... ein Tierarztbesuch der bärtigsten Art

Prolog:
Grund des Besuchs war, wie jeden Herbst, der berüchtigte "Ich hab mir da was eingetreten, weil ich ja ständig durch irgendwelche Dornen trampele, ohne Rücksicht auf Verluste" Besuch. Unser Bärtigster schafft es also jedes Jahr, im Laufe des Spätsommers, sich etwas einzutreten, ich vermute, einen Dorn, um dann, pünktlich im Oktober oder spätestens November einen feinen Abszess zwischen den Zehen irgendeiner beliebigen Pfote zu bekommen. So auch dieses Jahr wieder vor zwei Wochen. Normalerweise gehen wir dann gar nicht mehr zum Tierarzt, weil wir inzwischn Erfahrung im selbst behandeln haben. Diesmal hatte ich aber eine andere Jodlösung zum draufträufeln, statt zum Baden wie sonst, und damit heilte es wohl zu schnell zu. Fazit: was zu schnell zuheilt ist nicht ausreichend leer und kommt wieder. Da die wieder aufgetauchte Beule nicht nur ziemlich dick war, sondern auch keine Anstalten machte, aufzugehen, war heute morgen ein Tierarztbesuch angezeigt.

So nahm das Drama also seinen Lauf, Mutti fährt mit Bert zum Tierarzt, Bert bricht schon beim Einfahren in die Straße zum Tierarzt in Freudengebell in den höchsten Tönen aus. Die verwirrten Blicke zu meinem bellenden Kleinwagen ignoriere ich inzwischen gekonnt.

Akt 1: Das Wartezimmer
Mutti geht erstmal zur Anmeldung und lässt den Allerbärtigsten, sehr zu seinem Leidwesen im Auto warten. Sonst versteht man nämlich an der Anmeldung sein eigenes Wort nicht mehr, da Bert meint, es reicht, sich mit lautem, fröhlichen Bellen anzumelden.

Nach Anmeldung der vorsichtige Blick ins Wartezimmer: fast leer, bis auf einen anderen Hund. Also kann man es riskieren, den singenden klingenden Bärtigen in die heiligen Hallen einzulassen. Wenn es zu voll ist, warten wir lieber im Auto. Aber heute hat Bert Glück (oder ich Pech ;) ) und wir gehen also hinein. Der einzige Anwesende andere Hund rastet erstmal dezent bellend und knurrend aus, was der Allerbärtigste gekonnt erhaben ignoriert. Erstaunlich, das tut er sonst nirgends. Wir ziehen uns also in die andere Ecke des Wartezimmers zurück und der Allerbärtigste nutzt die Zeit, bei mir seine wohlverdiente Kuscheleinheit einzufordern. Jedesmal, wenn jemand das Wartezimmer betritt wird aufgesprungen und alle Register des bärtigen Flirtens gezogen. Heute hat es besonders gut funktioniert, eine Katzenbesitzerin parkt Ihre Katze samt Box neben sich und widmet sich dann mit der Aussage "meine Katze will eh nix von mir wissen gerade" mit all Ihrer Liebe und Zuneigung dem Allerbärtigsten. Hat er ja auch verdient, findet er. Ab und an muss ich den Herrn davon abhalten, der Dame auf den Schoß zu klettern, aber sie wollte es ja so und unterhält und kuschelt ihn, wie es sich einem Allerbärtigsten geziemt. Kein Wunder, dass Herr Bert Tierarztbesuche nur allzu positiv verknüpft. Das Schauspiel wird nur zweimal kurz durch das Öffnen der Tür zu den Sprechzimmern unterbrochen, da wirft Herr Bert sich nämlich SOFORT mit hoffnungsvollem Blick zur Tür in seine schönste Pose (Wenn er reden könnte, würde er "HIER ICH ICH!" schreien) um dann einen empörten Beller abzulassen, wenn er nicht an die Reihe kommt. Aber alles halb so wild, man kann sich ja dann wieder seinem neuen willigen Streichelopfer zuwenden. Mittlerweile ist die Dame so verliebt dass sie unseren Wartezimmerpromi um ein Foto bittet und es gnädigerweise zwischen zwei fröhlichen WUFFs auch gestattet bekommt. Doch dann kommt der große Moment, der Allerbärtigste wird aufgerufen und ins Sprechzimmer geleitet.


Akt 2: Der lange Weg zum Sprechzimmer
Sobald Herr Bert registriert, dass ER höchstselbst aufgerufen wird (erkennt er daran, dass die dröge alte Spaßbremse sich endlich erhebt) SCHIESST ein frohlockender, hüpfender Bert unaufhaltsam, wäre da nicht dieser über 70 kg schwere Bremsklotz am anderen Ende der Leine ohne Rücksicht auf Verluste quer durchs Wartezimmer zur Tür, begrüßt die zuständige Helferin mit einem freudigen "Das wurd jetzt aber auch Zeit"-Rotzgeräusch und rennt sie fast über den Haufen. Wenn es, wie heute, eine mir unbekannte Dame ist, stets kommentiert von "Er ist verrückt, aber harmlos."


Akt 3: Kurzes Warten im Sprechzimmer Audienzzimer
Puh. Endlich wieder kurz allein. Mutti muss sich erstmal sammeln, Bert richtet sich derweil gemütlich in seinem Audienzzimmer ein und harrt der Untertanen, die heute zur Huldigung bereit sind. Wir erinnern uns kurz (eigentlich nur ich), warum wir heute hier sind, und ich beschließe, den Bert schonmal vorzubereiten, und Schuh und Socke, die als Pfotenschutz dienen, abzunehmen, bevor der nächste Freudentanz beim Eintreten des Tierarztes beginnt. Ich entledige den Bert also seines Pfotenschutzes und stelle mit Freuden fest, der vor einer Stunde noch vollkommen verschlossene Abszess hat sich zwischenzeitlich von selbst eröffnet (nunja, deshalb sind wir ja auch hier, aber eigentlich sollte da noch ein Tierarzt ran....). Naja, wo wir schonmal da sind, kann der Doc ja trotzdem draufgucken, ob er irgend einen Auslöser darin findet und ob die Strategie eine Woche in Jodlösung baden auch in diesem Fall die richtige ist. Wir warten also weiter, zwischenzeitlich kommt immer mal wieder eine nette Tierarzthelferin rein, holt und bringt Dinge und ganz wichtig: Huldigt dem Allerbrätigsten, schließlich ist das ja der Sinn eines solchen Audienzzimmers.


Akt 4: Der Tierarzt
Juhu, heute haben wir einen Lauf und Billys Lieblingsdoc hat Sprechstunde (er liebt sie alle, aber bei den beiden habe ich den Eindruck, sie verbindet inzwischen irgendwie eine innige Männerfreundschaft). Wie immer führen die beiden eines ihrer seltsamen, mir vollkommen unverständlichen Begrüßungsrituale auf. Mal krabbelt Bert dem Doc auf den Schoß und leckt ihm freudig durchs Gesicht, mal steckt man ihm den Kopf zwischen die Knie und lässt sich seelig grunzend durchknuddeln. Heute erreicht das Ritual neue Dimensionen, man reckt vor dem Tierarzt die Nase in die Luft und freut sich wie ein kleiner König (AUDIENZZIMMER!!!), wenn der Doc ihm mal eben herzhaft die dicke braune Ledernase durchknetet. Naja, jedem das seine, denke ich mir und werde zwischenzeitlich auch mal begrüßt. Man will die Herrschaften ja nicht stören. Nach kurzer Schilderung des Problems kommt der unangenehme Teil für den Bärtigen, man hebt ihn ganz unwürdig unter lautem Gemaule auf den Tisch und legt ihm sicherheitshalber einen Maulkorb an und popelt in seiner Pfote rum. Der Allerbärtigste kommentiert diese unwürdige Behandlung mit bedrohlichen Urlauten, lässt sie aber ansonsten würdigst über sich ergehen. Der Doc findet wie immer nichts in der Pfote, aber wenigstens ist der Abszess jetzt gut offen. Er empfiehlt die üblichen einwöchigen Jodbäder und dann sollte es wie immer abgeheilt sein, sonst müssen wir weitersuchen. Bisher gings aber immer gut. Zwischenzeitlich wird der alte Knurrhahn vom Tisch gehoben und vom Maulkorb befreit und holt sich seine wohlverdienten Kuscheleinheiten beim Tierarzt ab. Kann der arme Doc ja nix für, wenn Mutti ihn zwingt so fiese Dinge an Berts Pfote zu machen. Beim Schuh anziehen tanzt der Bert dann wieder so fröhlich durchs Sprechzimmer, dass er sich noch unter Publikumswirksamem aufjaulen das Bein verdreht und danach hat der alte Herr auch schon keine Zeit mehr für Geplänkel und hüpft fröhlich bellend Richtung Ausgang, während ich mich quasi im Vorbeiflug noch vom Tierarzt verabschiede.



Akt 5: Der Abgang
Auf dem Weg zum Auto schafft man es noch, sich schnell trotz fröhlichen Hüpfens und Bellens im vorbeigehen ein paar bedauerende Worte und Genesungswünsche ob des Pfotenschutzes abzuholen, und schwupps gehts schon wieder ins Auto. Dort macht man es sich erstmal gemütlich und erholt sich von dem anstrengenden Audienztermin, während Mutti die Rechnung für die ganzen zum Wohlgefallen des Allerbärtigsten gekauften Schauspieler entrichten geht. Auf der Heimfahrt verfällt der total geschaffte Allerbärtige in Tiefschlaf, nur um pünktlich beim EInfahren in unsere Straße wie von der Tarantel aufzuspringen und in fröhliches "Sehet, der Allerbärtigste kehrt heim!"- Gebell auszubrechen.


Epilog: Die Heimkehr
Der schlagartig erwachte, immer noch fröhlich bellende Allerbärtigste entsteigt dem Auto und hat (eben noch fix und fertig) genau zwei Wünsche: Gassi und Essen. Ich bin mal wieder der Buhmann und bringe ihm mehr oder minder schonend bei, dass ich noch einen Nebenjob habe, um sein Futter zu verdienen, und daher jetzt erstmal wieder nach drinnen an die Arbeit muss. Zum dank pinkelt der Herr mir in den Vorgarten, als wäre er drei Tage lang nicht mehr Gassi gewesen. Nach freundlichem Bitten begibt der Allerbärtigste sich nach drin und verlangt nach Essen. Das gewähre ich ihm, im Austausch gegen ein Stündchen ungestörte Arbeitszeit.

Inzwischen habe ich Feierabend und bin müde. Der Bert jammert, weil er endlich zum Gassi will. Nachher ist er dann wieder beleidigt, weil es zwecks Schonung nur eine kurze Runde gibt.
Danke fürs Zuhören.

1 Kommentar:

  1. Hallo Shauri, auch wenn ich mich aus dem Forum inzwischen komplett zurückgezogen habe, deine Seite lese ich wenn auch in unregelmäßigen Abständen immer noch. Es ist einfach herrlich geschrieben. Bitte nicht aufhören und euch weiterhin alles Gute.

    Jan mit seiner Susi

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Vielen Dank fürs Lesen und Deinen Kommentar!